Türkei - der starke Mann am Bosporus?
Die Türkei emanzipiert sich vom Westen und entwickelt eine eigenständige außenpolitische Doktrin
Während Guido Westerwelle sich bei seinem Besuch in Ankara einmal mehr in Hinhaltetaktik übte, wetterte CSU-Generalsekretär Dobrindt aus der bayerischen Provinz einmal mehr gegen einen EU-Beitritt der Türkei. Doch die bayerischen Christsozialen sind mit ihrer kategorischen Ablehnung nicht alleine - auch die französische Regierung und die britischen Tories, die aller Voraussicht nach in diesem Jahr die Regierungsgeschäfte übernehmen werden, lehnen einen EU-Beitritt der Türkei ab. In der Türkei hat sich derweil Ernüchterung breit gemacht. Auch wenn die Regierung Erdo?an nach wie vor auf eine Vollmitgliedschaft drängt, konstruiert Außenminister Davuto?lu bereits mit Hochdruck eine neue außenpolitische Doktrin. Bilaterale Verträge mit Russland, dem Libanon und den Kaukasusstaaten Aserbaidschan und Turkmenistan, die in den ersten Wochen des neuen Jahres geschlossen wurden, umreißen die neuen Ziele der Türkei - zum einen will das Land der weltgrößte Energiehub und -Transitstaat werden, zum anderen strebt die Türkei eine aktive Rolle als muslimische Schutzmacht im Nahen Osten an. Israel, den USA und der EU dürfte diese Wende gar nicht gefallen. Noch ist es aber nicht zu spät - sollte sich die EU eines Besseren besinnen, kann sie sogar massiv von der neuen Stärke der Türkei profitieren.
Energiesicherheit ist ohne die Türkei nicht möglich
Europa wird noch viele Jahrzehnte von fossilen Brennstoffen abhängig sein. Deutschland bezieht nicht nur den Großteil seiner Gasimporte aus Russland, sondern auch bei den Ölimporten hat sich Russland über die Jahre hinweg zum Lieferanten Nummer Eins [extern] entwickelt. Die russischen Energielieferungen haben jedoch einen strategischen Nachteil - je größer der Anteil der Importe aus Russland ist, desto abhängiger ist Deutschland von Moskau. Da die deutsche Politik eine transatlantische Ausrichtung bevorzugt, ist dies natürlich nicht unproblematisch. Vor allem im Gassektor hat die EU die "Kaspische Ellipse" als Alternative zu Russland gewählt. Über die geplante [extern] Nabucco-Pipeline sollte Erdgas aus den Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres über die Türkei und den Balkan ins Herz Europas gepumpt werden. Dieser Plan [extern] scheiterte zunächst an der erfolgreichen Blockadepolitik Russlands, das sich die verfügbaren Liefermengen der ehemaligen Sowjetrepubliken an seiner Südflanke über Jahre hinweg sicherte. Nur Aserbaidschan liefert über die Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline Erdöl an Europa, das nicht über russisches Staatsgebiet transportiert werden muss.
Durch das [extern] verstärkte Engagement Chinas in der kaspischen Region sind die ursprünglichen Nabucco-Pläne endgültig gestorben. Noch könnte Nabucco jedoch eine Chance haben - man müsste die Pipeline lediglich mit iranischem Gas füllen. Wie man es dreht und wendet - am Transitland Türkei führt jedenfalls kein Weg vorbei, wenn Europa Alternativen zu russischen Lieferungen sucht.
Transitland und Energiehub
Geht es der EU "nur" um Energiesicherheit und Alternativrouten, so hat die Türkei selbst wesentlich ambitioniertere Pläne. Die Türkei will künftig zum größten Energiehub der Welt werden. Dies geht natürlich nur, wenn man mit Iran und vor allem mit Russland kooperiert. Um die türkisch-russischen Energiepläne zu umreißen, reiste Staatschef Erdo?an am Dienstag nach Moskau - was er mitbrachte, dürfte den Nabucco-Planern gar nicht gefallen. Erdo?an und Medwedjew [extern] unterschrieben ein gemeinsames Abkommen, das Russland den Bau der Nabucco-Alternative South Stream schon im Herbst dieses Jahres gestattet. Das russisch-italienische Projekt South Stream soll Erdgas durch das Schwarze Meer nach Bulgarien und von dort aus in zwei Trassen über den Balkan nach Österreich und durch die Adria nach Italien transportieren.
Zusätzlich zur bereits vorhanden Blue Stream-Pipeline, die vor allem die Türkei selbst mit russischem Gas versorgt, soll eine parallele Blue Stream 2-Pipeline
Was für den Bereich Erdgas noch Zukunftsmusik ist, hat die Türkei im Erdölbereich bereits verwirklicht. Neben der Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline, die jährlich 50 Millionen Tonnen Rohöl an die türkische Mittelmeerküste transportiert, ist die Türkei der Energieverteiler für das Erdöl aus dem nordirakischen Kirkuk. Die Irak-Türkei-Pipeline existiert bereits seit 1970 und kann jährlich bis zu 70 Millionen Tonnen Erdöl bis nach Ceyhan transportieren. Wenn die Samsun-Ceyhan-Pipeline in Betrieb genommen wird,
Sicherheitsarchitektur für den Kaukasus
Eine
Armenien wiederum ist ein guter Verbündeter Russlands und die Lage wird zusätzlich durch den Umstand erschwert, dass die umkämpfte armenische Enklave Bergkarabach auf dem Staatsgebiet Aserbaidschans liegt, welches wiederum ein guter Verbündeter der Türkei ist. Wenn Ankara und Moskau eine strategische Partnerschaft anstreben, müssen sie zunächst einmal eine gemeinsame "Sicherheitszone Kaukasus" etablieren, in der sie beide gemeinsam als Schutzmächte die Regeln festlegen. Ob Armenier und Aseris dem zustimmen werden, steht freilich noch in den Sternen. Besonders argwöhnisch dürfte eine solche Sicherheitszone allerdings in Georgien betrachtetet werden. Dort galt die Türkei immer als letzter Vorposten der NATO - eine Zusammenarbeit des Verbündeten mit Russland ist so ziemlich das Letzte, was sich die Georgier wünschen dürften.
Spannungen mit Israel
Jahrzehntelang einte die laizistische türkische Armee und Israel der gemeinsame Feind Syrien. Die Türkei und Syrien verstehen sich allerdings mittlerweile prächtig - auch zu allen anderen arabischen Staaten pflegt Ankara gute bis sehr gute Beziehungen. Seit der Machtübernahme von Recep Erdo?an im Mai 2003 haben sich diese Beziehungen weiter verbessert. Erdo?an gilt nicht nur als "guter" Muslim, er weiß auch immer wieder die Ressentiments der Araber gegen Israel zu bedienen. Unvergessen ist da Erdo?ans
Eine solche Seifenoper sorgte auch vor wenigen Tagen für einen echten
Erdo?an reagierte und drohte, den Botschafter abzuziehen, wenn die israelische Regierung sich nicht entschuldigen würde. Staatschef Netanjahu höchstpersönlich
Vom Vermittler zur Konfliktpartei
Die Rolle des Hegemons, der die Interessen der muslimischen Staaten im Nahen Osten schützt, gefällt der türkischen Regierung. Bei einem Treffen mit dem libanesischen Staatschef HaririKommentare
Labels: Türkei starke Wirtschaft?
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]
<< Startseite