Ritalin für alle
Medikamente können unsere geistige Leistungsfähigkeit steigern. Ist das Einnehmen dieser „kognitiven Enhancer“ ethisch korrekt, sollte es jeder tun können?
Diese Fragen stellen sich die Autoren eines in Nature vorab online veröffentlichten Essays: Towards responsible use of cognitive-enhancing drugs by the healthy Es gibt einige Medikamente, die die geistige Leistungsfähigkeit steigern können. Das bekannteste dürfte Methylphenidat (Ritalin) sein, welches vor allem für Kinder mit dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADHS) verschrieben wird. Andere sind Amphetamine und Modafinil. Sie haben gemeinsam, dass sie die Konzentration von bestimmten Neurotransmittern im Gehirn variieren und so längere und intensivere Aufmerksamkeitsspannen ermöglichen.Diese Wirkungen sind ideal für Schüler und Studenten, um vor einer Klausur mehr als ein paar Stunden durchzulernen und in der Prüfungssituation leistungsfähiger zu sein. Laut einer Umfrage in US-amerikanischen Universitäten haben das 7% aller Studenten schon einmal gemacht, an manchen Hochschulen sogar bis zu 25%. Auch für andere Bevölkerungsgruppen wäre ein Einsatz nicht unpraktisch: Ärzte bei komplizierten Operationen, Soldaten im Einsatz, Piloten und Fahrer oder Börsenmakler, also alle Berufsgruppen, die für ihre Tätigkeiten eine besondere Aufmerksamkeit benötigen. Doch noch ist der Gebrauch dieser Arzneien zur Leistungssteigerung als Medikamentenmissbrauch verboten, obwohl er laut den Autoren des Essays auch große Vorteile bringen könnte.
Medikamente gegen ADHS könnten auch die geistige Leistungsfähigkeit von Gesunden steigern
Die Autoren vergleichen die medikamentöse geistige Leistungssteigerung mit anderen, die bereits gang und gäbe sind. Beispielsweise erhöhen Unterricht, genügend Schlaf und richtige Ernährung ebenfalls die geistige Kapazität, wogegen keinerlei moralische Bedenken herrschen. Ein Großteil der Gesellschaft steht aber dem Einsatz von Medikamenten noch skeptisch gegenüber, da dies als Betrug empfunden wird – vergleichbar zum Doping im Sport.
Einwände sind etwa, dass es unnatürlich und gefährlich wäre, die Möglichkeit aufgrund der Kosten ungerecht verteilt sei, der Arbeitsaufwand verringert werde, was die Notwendigkeit von Anstrengung, um etwas zu erreichen, reduziere, oder schlicht als Drogenmissbrauch gelten müsse. Die Autoren sehen das anders und verlangen, dass einem mündigen Erwachsenen diese Möglichkeit der Leistungssteigerung offen stehen sollte. Schließlich sei unser gesamtes Leben schon recht unnatürlich und gebe es bereits legale Methoden zur Leistungssteigerung, die in unsere Körperfunktionen eingreifen: Kaffee oder, ungerecht verteilt, Nachhilfestunden. Also gebe es keinen Grund, gesunden Erwachsenen den Gebrauch dieser Medikamente zu verbieten. Trotzdem nennen die Autoren drei grundsätzliche Bedenken:
Sicherheit: Da die Medikamente in die Gehirnfunktionen eingreifen und man noch nicht genügend über die Folgen weiß , muss man mit dem Einsatz vorsichtig sein. Insbesondere bei Kindern, deren Gehirn sich noch entwickelt, können unerwünschte Nebenwirkungen auftreten. Also ist eine evidenzbasierte Überwachung notwendig.
Freiheit: Niemand darf gezwungen werden, solche Leistungssteigernden Medikamente einzunehmen. Die Gefahr besteht insbesondere bei Schülern, Soldaten oder Angestellten. Lehrer haben ein Interesse an möglichst großer Leistung und Konzentration ihrer Schüler. Die US-Armee experimentiert schon lange mit psychoaktiven Substanzen, um die Effektivität ihrer Soldaten zu verbessern, auch Arbeitgeber könnten die Produktivität ihrer Angestellten steigern wollen. Also muss dafür gesorgt werden, dass niemand zur Einnahme gezwungen werden kann.
Fairness:: Es wäre unfair, wenn nur ein Teil der Menschen, beispielsweise ein Teil von Studenten, Zugang zu den Arzneimitteln hätte – sei es aus finanziellen oder anderen Gründen. Deshalb muss dafür gesorgt werden, dass die Verteilung gerecht ist – beispielsweise durch kostenlose Ausgabe.
Ein großes Geschäft
Die freie Vermarktung solcher Medikamente lässt weitere Risiken entstehen. Die Hersteller könnten durch die Versprechungen von höherer Leistungsfähigkeit einen unkontrollierten und nicht auf Sicherheit bedachten Konsum auslösen. Der Einzelne verspricht sich einen Wettbewerbsvorteil und der Konzern ist daran interessiert, möglichst viel zu verkaufen. Sicherlich ließen sich extrem hohe Umsätze mit den Präparaten erzielen. Daher schlagen die Autoren Maßnahmen wie Forschungsprogramme, Richtlinien für Ärzte und andere beteiligte Berufsgruppen, Aufklärung der Bevölkerung über Chancen und Risiken und eine regulierende Gesetzgebung vor. In der Konsequenz also eine Legalisierung, um der Gesellschaft die erhofften Vorteile zu bringen, wenn auch unter gewissen Einschränkungen.
Für den Einzelnen können sie tatsächlich erhebliche Vorteile bieten und Lernen oder Arbeit effektiver machen. Auch der Gedanke, dass Operationen mit geistig aufmerksameren Chirurgen ein geringeres Risiko darstellen, ist verlockend. Wenn man es vermeiden könnte, dass durch eine Ökonomisierung eine ungerechte Verteilung und ein Quasi-Zwang zur Einnahme entsteht, man außerdem die Sicherheit gewährleistet, so spricht eigentlich wenig dagegen. Aber es ist unwahrscheinlich, dass der Gesetzgeber bald für eine Legalisierung sorgt und so muss man wohl erst mal noch auf die traditionellen Methoden zurückgreifen, um eine Klausur zu bestehen oder geistig fit zu sein. Außerdem ist fraglich, inwieweit tatsächlich die Fähigkeit zu lernen verbessert wird, oder es nur kurzfristig eine Prüfungsleistung steigert – was auch nicht gerade Sinn der Sache sein sollte.
Labels: Ritalin für alle
1 Kommentare:
Hi, ich kann Ritalin verkaufen:
hinterleitner81@gmx.at
lg
Kommentar veröffentlichen
Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]
<< Startseite