Dienstgeheimnis? Egal, das wurde doch sowieso schon verletzt...
Der Beamte, der den Mitschnitt eines Notrufes zur Erheiterung der Empfänger versandte, hat keine Sanktionen zu befürchten. Das Dienstgeheimnis, so heisst es, wurde deshalb nicht verletzt, da ja vorher schon jemand dieses Geheimnis verletzte.
Tagebucheintrag vom 14.11.2015 Peter von der Personalabteilung hat mir eben ein paar tolle Scans geschickt. Susanne, die immer mit ihrem "ich bin noch keine 30"-Gefasel nervt, ist in Wirklichkeit schon 33; Sylvia ist schon seit vier Wochen krank (der Hammer! Wir dachten, sie hätte einen Unfall gehabt, aber die Krankschreibung ist vom Frauenarzt ausgestellt. Schwanger? Tripper? Die ersten Wetten laufen); Bo hat heimlich geheiratet; Hans ist nicht im Krankenhaus, sondern in einer Entzugsklinik... Herrlich! Was für ein Tag! Ich habe mich köstlich amüsiert.Tagebucheintrag vom 14.11.2015 Peter von der Personalabteilung hat mir eben ein paar tolle Scans geschickt. Susanne, die immer mit ihrem "ich bin noch keine 30"-Gefasel nervt, ist in Wirklichkeit schon 33; Sylvia ist schon seit vier Wochen krank (der Hammer! Wir dachten, sie hätte einen Unfall gehabt, aber die Krankschreibung ist vom Frauenarzt ausgestellt. Schwanger? Tripper? Die ersten Wetten laufen); Bo hat heimlich geheiratet; Hans ist nicht im Krankenhaus, sondern in einer Entzugsklinik... Herrlich! Was für ein Tag! Ich habe mich köstlich amüsiert.
Sicher, eigentlich sollte ich so etwas nicht weitergeben, sind ja private Dinge und manche Dinge, die noch dazu kamen (über Investoren etc.) sind Dienstgeheimnisse, aber die anderen in der Firma lachen sich auch schon halbtot darüber. Und irgendjemand hat das Ganze schon an seinen privaten Verteiler geschickt, heisst es. Jedenfalls sollen die Scans schon per Esel verfügbar sein. Also mache ich mir keine Sorgen - ich schick das jetzt auch an alle meine Bekannten raus, die sollen auch mal lachen können. /Ende Tagebucheintrag
Wer sich nun fragt, warum dieser ausgedachte Herr denn nicht selbst zu dem Schluss kommt, dass er hier Geheimnisse verletzt und Menschen einem verletzenden Spott aussetzt, der möge diesen Satz hier genau lesen: "Ein Verfahren gegen einen Polizisten wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses wurde eingestellt. Als der Beamte den Mitschnitt verschickt hat, war er bereits einem großen Personenkreis bekannt."
Im besagten Fall handelt es sich um den Mittschnitt eines Notrufes. (Zur Zeit des Notrufes wurden solche Anrufe noch langfristig gespeichert, was mittlerweile geändert wurde.) In Mannheimer Mundart getätigt, sorgte der schnell auf youtube verfügbare Anruf ähnlich schnell für Erheiterung wie "Lisa Loch" oder die "schwule Sau". Die anrufende Dame war ob ihrer Mundart schwer verständlich, der Polizist mutmasste, sie habe vergessen das Gebiss einzusetzen.
Alle die Fälle ähneln sich insofern, als dass die Erheiterung hier oft Gedanken an möglicherweise verletzte Persönlichkeit bei den Zuschauern verdrängt. In dieser Tradition stehen auch die diversen Sendungen, in denen Zuschauervideos gezeigt werden. Nicht selten dokumentieren diese Videos sich verletzende Kleinkinder, ältere Menschen in peinlichen Situationen, Tiere, die durch Unachtsamkeit stolpern usw., werden jedoch als Slapstickeinlage empfunden, ungeachtet der Tatsache, dass es sich hier nicht um ein fiktives, sondern um ein reales Geschehen handelt. Die Schadenfreude der Menschen ist hier die Zielgruppe - Belustigung siegt über Mitgefühl. Allenfalls ein verschämtes "ooops" ob der eigenen mangelnden Empathie ist noch zu hören, übertönt vom schallenden Lachen.
Der Fall nimmt aber auch dem Einzelnen die Verantwortung. Es war eindeutig, dass der handelnde Beamte den Mitschnitt auch an Personen ausserhalb der Polizei sandte - da aber schon innerhalb der Polizei über den Anruf gelacht wurde, und vorher ein anderer (der nicht ausfindig gemacht werden konnte) die Indiskretion beging, ist von Seiten des Herrn keine Indiskretion mehr zu rügen. So jedenfalls die Beurteilung des Falles von offizieller Seite. Für den Einzelnen ist dies praktisch: Was auch immer ihm aus welchen Gründen mitgeteilt wird, er selbst muss sich keine Gedanken mehr über die Legitimität einer Weiterleitung machen. Seine Frage muss lediglich lauten, ob schon vorher die Inhalte nach Aussen kommuniziert wurde. Falls ja, so ist damit das Geheimnis kein Geheimnis mehr und kann - nimmt man dieses Urteil als Maßstab - unbesorgt ausgeplaudert und weitergeleitet werden. Somit muss es jeweils nur einen einzigen Menschen geben, der ein Dienstgeheimnis ausplaudert und alle anderen Folgetäter sind zu entschuldigen, da aus dem Dienstgeheimnis ja ein Nichtgeheimnis wurde.
Diese Beurteilung der Staatsanwaltschaft, die zur Einstellung des Verfahrens gegen den Beamten führte, ist ein Freibrief für all jene, die ohne zu überlegen, jegliche Informationen weiterleiten, private Dinge veröffentlichen oder Comedy als Verletzung von Persönlichkeitsrechten verstehen. Jeder Anruf, egal ob bei einer Firma, einem Sender, der Polizei, einem Arzt... könnte somit bei youtube eingestellt werden, wenn nur davon auszugehen ist bzw. bekannt ist, dass jemand bereits auf diese Idee kam und sie realisierte. (Das Einstellen bei youtube ist hier nur ein Beispiel, natürlich können die Mitschnitte dann auch per privatem Verteiler weitergeleitet werden, auch eine Veröffentlichung in einer Sendung "Best of Notruf" wäre möglich.)
Goldene Zeiten für jene, die sowieso selbst nicht mehr nachdenken.Labels: das wurde doch sowieso schon verletzt..., Dienstgeheimnis? Egal
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