Sexgötter, Porschefahrer, SMS-Schnorrer - 2.Teil
Unklare Verhältnisse
Die Europe Holding wird, wie sich später herausstellt, durch Faustus Eberle vertreten. Die Treuhänderin hat nach Angaben ihres Anwalts ihren Anteil einen Tag nach der Gründung des Unternehmens an die Europe Holding abgegeben. "Aus dem Geschäftszweck des Unternehmens war sicher nicht ersichtlich, in welche Richtung sich die Xentria AG entwickeln würde, ob nun positiv oder negativ", schreibt der Rechtsbeistand. Ihr Unternehmen sei eine renommierte Firma, "die mit den Firmen um Herrn Eberle oder Europe Holding nichts zu tun hat". Der Geschäftszweck ihrer Serviceagentur sei neben solcher Hilfe bei der Gründung von Firmen auch die Zurverfügungstellung von Domizil und Telefonservice sowie die Bereitstellung von Verwaltungsräten und Geschäftsführern. Mit den Firmen selbst habe sie deshalb nicht das geringste zu tun.
Offenbar nutzen zahlreiche dubiose Online-Dienste ihre Dienste. So sind sich ihre Firma und die von Eberle ebenfalls nicht fremd: Wie Internet-Recherchen belegen, bot ihr Service auch Faustus Eberle für sein Institut für Produktforschung AG in Zug eine Postanschrift. Im Umfeld der Deutschen agieren weitere Geschäftsleute, die mit Dienstleistungen im Internet ihr Geld verdienen, wegen derer sie im Visier von Verbraucherschützern stehen.
Ein Beispiel: Die Agenturinhaberin war bis April 2005 als Mitglied der Stern Verlag AG aktiv, die wenig später in Swiss Einkaufsgemeinschaft umbenannt wurde - hier fungiert ein gewisser Jürg Kramer als Mitglied. Kramer selbst gehört die Verbraucherbund AG – auf deren mehr oder weniger aufstrebendes Webprojekt Produktpruefer.com leitet die deutsche Variante "produktpruefer.de" weiter, die nach Auskunft der Denic (Deutsches Network Information Center) dem Vorläufer der Internet Service AG gehört.
Ähnlich sieht es mit der Kondom-Abonnementsdomain condome.tv aus: Inhaber ist die Internet Service AG, im Impressum steht jedoch Kramers Swiss Einkaufsgemeinschaft. Und nicht nur Internet-Adressen werden munter getauscht, sondern auch Posten: Kramer ist seit August 2006 Mitglied der Mobilfunkverbund AG – seine Vorgängerin in dieser Funktion war Inhaberin der Serviceagentur.
Wie undurchsichtig das Schweizer Firmengeflecht auch sein mag - das Landgericht Stuttgart gab im Verfahren des Verbraucherzentrale-Bundesverbandes gegen die Internet Service AG am 8. Juni 2007 eine deutliche Einschätzung ab: Die Gestaltung der gerügten Seiten sei darauf angelegt, Verbraucher zu täuschen.
Ähnlich urteilte das Wiener Oberlandesgericht - und der österreichische Richterspruch fiel besonders empfindlich aus: Die Internet Service AG wurde dazu verdonnert, das Urteil des OLG auf den betreffenden Websites einen Monat lang zu veröffentlichen.
Doch die Geschäfte laufen weiter – man ändert einfach Firmennamen oder Rechtsform, bastelt ein wenig an der Webseite oder gründet eine Tochterfirma auf den Britischen Jungferninseln. Der deutsche Verbraucherzentrale Bundesverband will deshalb weiter für ahnungslose Abo-Opfer kämpfen.
Alle in diesem Artikel namentlich thematisierten Unternehmen und Personen rund um die Internet Service AG wurden von SPIEGEL ONLINE um Stellungnahmen gebeten. Antworten gab es keine.
Für Internet-Surfer, die bereits in die Falle getappt sind, hat Jahn einen vergleichsweise einfachen Rat: "Die Drohungen sind Masche und werden tausendfach verschickt. Es ist kein einziger Fall bekannt, in dem Unternehmen wie die Internet Service AG wirklich geklagt hätten."
Auch Dagny H., die bei der Verbraucherzentrale um Rat fragte, reagierte nicht mehr auf die immer gefährlicher klingenden Schreiben aus der Schweiz. Nach ein paar weiteren Mahnungen wurde es still um die vermeintliche Servicefirma und ihre Genlogie-Dienstleistung. Ronny Jahn von der Verbraucherzentrale Berlin wundert das nicht: "Die Anbieter wissen schon, warum sie am Ende doch nicht vor Gericht gehen."
Wichtig, meint Martin Wieler von der Verbraucherzentrale im rheinischen Siegburg, sei es nur, die Nerven zu behalten: So drakonisch die Drohungen auch daherkommen, so haltlos seien sie auch in aller Regel. Wieler: "Das geht bis zur Drohung eines Eintrags ins Schufa-Verzeichnis. Dann fürchten die Leute, dass sie kein Handy mehr bekommen oder keine Mietwohnung." Wer sich nicht sicher sei, solle in solchen Fällen eben die Experten vor Ort fragen, aber keinesfalls Anzahlungen leisten, um die Mahner ruhig zu stellen und vermeintlich Zeit zu gewinnen: "Nur wenn einmal Geld geflossen ist, wird es schwierig."
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