Freitag, Februar 15, 2008

Die Sucht gecrackt















Der amerikanische Verhaltenstherapeut Zachary Rosenthal will Crack-Abhängige mit einem Videospiel therapieren, in dem Drogenhändler in dunklen Bars auf ihre Kunden warten. Gewonnen hat, wer seinen Kaufimpuls so lang wie möglich unterdrückt.
Da vorne die Bar, das Motel, der Basketballplatz und der Dealer, der Crack verkaufen will: Alles wirkt wie "GTA", ist es aber nicht. Und der, der vor dem Bildschirm sitzt, ist auch kein Spieler. Sondern ein Drogenabhängiger, der sich per Joystick durch die virtuelle Welt bewegt und immer dann eine Taste drückt, wenn sein Verlangen nach Crack größer wird. Mit jedem Druck wächst ein Balken auf dem Monitor, und der Balken ist schon sehr lang. Doch neben dem Probanden sitzt Dr. Zachary Rosenthal und fordert ihn auf, standzuhalten. Nach ein paar Minuten ertönen drei kurze Töne: "Beep, boop, boop!": Der Junkie hat dem Crack Kontra gegeben, die Tonfolge ist seine Fanfare ? dieses Mal hat er gewonnen gegen seine Abhängigkeit.
"Crack ist eine schreckliche Droge", sagt Rosenthal, der an einer medizinischen Forschungsanstalt im kalifornischen Durham neue Behandlungsmethoden entwickelt. Er weiß, dass Abhängige ein zwanghaftes Verlangen nach Crack verspüren, wenn sie mit Orten, Gegenständen oder Menschen konfrontiert werden, die für sie mit der Droge in Verbindung stehen. "Sie hassen dieses Gefühl, aber sie sind gezwungen, der Sucht nachzugeben", sagt er, und erzeugt nun genau dieses Verlangen künstlich am PC. Vier Jahre lang hat er mit seinem Team und dem amerikanischen Entwicklerstudio Psychology Software Tools ein Videospiel entwickelt, das in den Süchtigen Konsumimpulse hervorrufen soll.
Jede dieser "Drogenwelten" ist maßgeschneidert für den Abhängigen, per Drag-and-Drop fügen die Forscher der Welt persönliche Risikosituationen und
-personen hinzu. Das Wichtigste an diesem Spiel ist die Tonfolge, die der Süchtige hört, wenn er der Versuchung widerstanden hat. Der Proband erhält nämlich ein spezielles Handy, mit dem er jederzeit in der Forschungsanstalt anrufen kann, um die Töne erneut zu hören. "Kein Therapeut kann rund um die Uhr für seine Patienten da sein", erläutert Rosenthal, "diese Töne jedoch erinnern den Probanden an den unterdrückten Konsumzwang und sollen ihm helfen, auch im realen Leben, sein Verlangen im Zaun zu halten." Ob das "Spiel" wirkt, untersucht er in einer Studie mit 30 Crack-Süchtigen. Sein Ziel: "Wenn diese Methode funktioniert, könnte man sie bei vielen Menschen einsetzen, bei denen bislang die besten Verhaltenstherapien versagen."

Drei Fragen an Zachary Rosenthal, 34, Forscher am Duke Medical Research Center, Durham (USA)
Frage:
Sind auch Videospiele eine Art Droge?
Rosenthal:
Ich glaube schon, dass man Videospiele zwanghaft spielen und so eine ähnliche Abhängigkeit entwickeln kann wie bei anderen Dingen.
Frage: Haben Sie eigene Drogenerfahrungen?
Rosenthal: In den Achtzigern und frühen Neunzigern war ich süchtig nach Grateful Dead.
Frage: Können Videospiele das Leben des Spielers verändern?
Rosenthal: Mein fünfjähriger Sohn entdeckt gerade seine Liebe zu "Madden Football 2007". Er spielt es jeden Abend, und ganz gleich, mit welcher Abwehr ich es versuche: Er schlägt mich immer. Ich weiß nicht, welches Leben sich durch dieses Spiel mehr verändert hat, seins oder meins, aber ich bin mir sicher, dass ich ihn heute Abend kriege.

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