Ermittler nehmen Mann und Frau im Raum München fest
Die Suche nach dem Attentäter von Passau macht Fortschritte: Die Ermittler haben jetzt einen Mann und eine Frau festgenommen - die Fahnder versprechen sich von den beiden eine Spur zum Täter. Dem verletzten Polizeichef geht es inzwischen besser, er hat die Tat aber längst nicht verarbeitet.
Hamburg/Passau - Die Ermittlungen wegen des Mordanschlags auf Passaus Polizeichef Alois Mannichl haben zu neuen Festnahmen geführt: Der Leitende Oberstaatsanwalt Helmut Walch teilte am Dienstagabend mit, im Raum München seien ein Mann und eine Frau vorläufig festgenommen worden. Bei dem festgenommenen Mann handele es sich nicht um den Attentäter, sagte Walch dem Hörfunksender B5. Nach Angaben Walchs hoffen die Ermittler, über den Mann und die Frau dem Täter auf die Spur zu kommen. Die beiden Festgenommenen seien aus der rechtsradikalen Szene, erfuhr SPIEGEL ONLINE aus Behördenkreisen.
Dem B5-Bericht zufolge wurde die Frau am Samstag in Fürstenzell mehrmals mit einem Mann gesehen, auf den die Täterbeschreibung zutrifft. In ganz Bayern und Österreich wird nach einem 1,90 Meter großen, kahlköpfigen Mann mit kräftiger Statur gesucht. So hatte Mannichl den Messerstecher beschrieben.
Mannichl war am Samstag vermutlich von einem Neonazi vor seinem Haus in Fürstenzell bei Passau niedergestochen worden, er überlebte den Anschlag schwer verletzt. Bereits am Wochenende waren zwei zunächst Verdächtige aus dem Raum Passau gefasst worden. Die 26 und 27 Jahre alten Männer hatten aber Alibis, zudem hatte Mannichl sie auf Fotos nicht als Täter identifizieren können.
Wie die "Passauer Neue Presse" berichtet, hat offenbar das Kennzeichen eines Wagens, das in Tatortnähe gesehen worden sein soll, auf die Spur der nun Verhafteten geführt. Dem Bericht zufolge ergaben die Ermittlungen zudem, dass beide auf der Beerdigung des Alt-Nazis Friedhelm Busse im Sommer auf einem Passauer Friedhof gewesen sein sollen. Dort war es zu Ausschreitungen zwischen Rechtsradikalen und der Polizei gekommen.
Die Staatsanwaltschaft ließ Tage nach der Beisetzung das Grab öffnen, nachdem durch ein Pressefoto bekannt wurde, dass eine verbotene Reichskriegsflagge auf den Sarg gelegt wurde. Daraufhin war Mannichl, der einen harten und kompromisslosen Kurs gegen die rechtsextreme Szene fährt, noch mehr zur Hassfigur der Neonazis erklärt worden. Im Internet kursierten Gewaltaufrufe gegen den Passauer Polizeichef.
Der Bayerische Rundfunk berichtet, dass Mannichl bei seinem "Kampf gegen rechts in Passau ziemlich alleine gelassen" worden sei. Der Polizeidirektor habe etwa auf eigene Rechnung einen Rechtsanwalt beauftragt, um zu erwirken, dass die Gewaltaufrufe gegen ihn entfernt werden.Oberstaatsanwalt Walch bestätigt, dass Mannichl zivilrechtlich gegen den Kreisvorsitzenden der NPD, Martin Gabling, vorgegangen ist und am 21. November dieses Jahres über das Passauer Amtsgericht eine einstweilige Verfügung erwirkt hat. Gabling hatte im Internet behauptet, Mannichl habe sich am Volkstrauertag "sichtlich verärgert" auf eine Grabplatte gestellt, sei "darauf herumgetrampelt" und habe ein Grabgesteck zerstört. Tatsächlich hat der Polizeichef verhindert, dass die rechtsextreme Szene einen entsprechenden Kranz auf dem Friedhof niederlegt.
Am 8. Dezember habe Mannichl daher bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige wegen Verleumdung gestellt. "Die Internet-Seite wurde inzwischen bereinigt, das Verfahren läuft", sagt Walch. Auf die Tatsache, dass Mannichl von sich aus und aus eigener Kasse aktiv werden musste, reagiert Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) verärgert: "Das wird geändert." Nach der bisherigen Praxis müssen Polizisten bei rechtlichen Verfahren im Zusammenhang mit ihrem Job einen Antrag für einen Vorschuss auf die Prozesskosten stellen. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) betont, dass dieses Vorgehen "nicht der Fürsorgepflicht eines Staates für seine Beamten entspricht". Man habe sich am Dienstagmorgen im bayerischen Kabinett darauf verständigt, dass in Zukunft die Behörde von sich aus Hilfe anbieten müsse.
Attentäter soll Handschuhe getragen haben
Das Messer, mit dem der Passauer Polizeichef schwer verletzt wurde, hatte im Eingangsbereich seines Reihenhauses gelegen. Nach vorweihnachtlichem Brauch in der Nachbarschaft diente es dazu, dass sich Besucher ein Stück von einem Lebkuchen abschneiden, der vor der Haustür ausliegt. Fingerabdrücke wurden daran nicht gefunden. Die Ermittler vermuten deshalb, dass der Attentäter Handschuhe trug.
Dass die Tatwaffe nicht dem Täter, sondern dem Opfer gehörte, ändere nichts am Tatbestand des versuchten Mordes, sagte Oberstaatsanwalt Walch SPIEGEL ONLINE. "Es spielt keine Rolle, ob der Täter das Messer überlegt in der Hand hatte oder sich spontan entschlossen hat zuzustechen. In dem Moment, in dem er zusticht, hat er den Vorsatz erfüllt, einer anderen Person eine tödliche Verletzung zuzufügen."
Von der Öffentlichkeit abgeschirmt, erholt sich Mannichl im Passauer Klinikum von seiner Verletzung und der Notoperation. Außer seiner Familie, Ministerpräsident Seehofer und Landespolizeipräsident Waldemar Kindler haben nur Ärzte Zugang ins Krankenzimmer. Selbst engste Freunde wurden vom Personenschutz nicht durchgelassen. Der Polizeichef sei "geschwächt und angestrengt", sagt Walch. "Er muss diesen Mordanschlag körperlich, aber auch seelisch noch verarbeiten."
Auch Chefermittler Walch, seit fast neun Jahren Leiter der Passauer Staatsanwaltschaft und ebenfalls permanent im Visier der rechten Szene, ist durch das Attentat auf den Polizeichef die Gefahr seines Berufes bewusst geworden. "In Landshut und Österreich wurden schon Zivilrichter umgebracht, weil sie Ehepaare geschieden haben. Einen hundertprozentigen Schutz wird man nie bekommen."
Wie Bayerns Politiker auf das Messer-Attentat reagieren wollenDie bayerische Politik will unterdessen Konsequenzen ziehen - Ministerpräsident Seehofer zeigt sich jedenfalls entschlossen. Schon rein körperlich. Während er am Dienstag durch den Journalistenpulk im bayerischen Landtag drängt, kündigte er eine "Vielzahl von Maßnahmen" gegen die Neonazi-Gewalt an, über die seine Minister "bis Anfang 2009" nachdenken dürften: "Das geht von Prävention in Schulen bis zu Polizeimaßnahmen vor Ort." Bestandteil sei möglicherweise auch ein weiterer Anlauf zum NPD-Verbot: "Ich bin dafür, dass wir die Sache neu prüfen."
Der Ministerpräsident dränge intern auf einen neuen Versuch, heißt es dazu aus der CSU-Fraktion.
Auch Innenminister Herrmann will Lehren aus dem Messer-Attentat ziehen. Die Beamten müssten noch besser geschützt werden, sagte er im Landtag, "das ist unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit." Man müsse gegebenenfalls Angriffe auf Polizisten mit höheren Strafen ahnden. Als Herrmann vom "schändlichen Wirken der NPD" sprach, nickte Seehofer. Er habe die Argumentation des Verfassungsgerichts zu respektieren, dass den Verbotsantrag gegen die NPD vor fünf Jahren stoppte - "ich finde das aber nicht überzeugend", sagte Herrmann. Es sei ein "Irrweg", dass man damals das Verbotsverfahren wegen der in der Szene ermittelnden V-Leute abgelehnt habe.
Man werde nicht ein zweites Mal mit dem Kopf vor die Wand in Karlsruhe rennen, stattdessen aber Argumente sammeln "und warten, bis sich die Chance auftut". Zwischenzeitlich müsse man ausloten, wie man der NPD die Parteinfinanzierung durch den Staat vorenthalten könnte. Herrmann rief ins Plenum: "Bayern bleibt weiß-blau, wir werden uns gegen jede braune Beschmutzung zur Wehr setzen." Am Ende beschloss der Landtag einstimmig, dass ein weiteres Verfahren zum Verbot der NPD geprüft werden soll. Am Donnerstag wird das Thema zudem auf der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin erörtert.
Frellers Parteifreunde in Berlin sehen das anders. Die Innenpolitiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben sich am Dienstag klar gegen einen neuen Anlauf ausgesprochen: "Wir sind nicht bereit, einem neuen NPD-Verbotsverfahren das Wort zu reden", sagte Hans-Peter Uhl, der Vorsitzende dieser Arbeitsgruppe, zu SPIEGEL ONLINE. Uhl ist CSU-Mitglied. "Beim ersten gescheiterten Verbotsverfahren sind Bundesrat, Bundesregierung und Bundestag wie die Lemminge in den Abgrund Karlsruhe gezogen, um dann dort hinunterzustürzen. Einem solchen Zug wollen wir uns in der CDU/CSU-Fraktion nicht noch einmal anschließen", so Uhl.
Bevor man zu diesem "verfassungsrechtlichen Hammer" greife, solle man alle anderen Möglichkeiten ausschöpfen, um Rechts- und Linksextremismus zu bekämpfen, fordert Uhl. Zudem verweist er auf die früheren Verbotsverfahren, etwa gegen die KPD in den fünfziger Jahren. Diese Partei sei Ende der sechziger Jahre als DKP zurückgekommen: "Wollen wir die NPD verbieten, um sie als PDN wieder zu bekommen?"
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