Können Taser-Schockwaffen gefährlich sein?
In Frankreich hat Taser einen Prozess verloren, in dem es darum ging, ob es rufschädigend ist, vor den Waffen zu warnen
Taser International, die Firma, die Elektroschockwaffen für Sicherheitskräfte und Privatpersonen anbietet, ist bekannt dafür, schnell vor Gericht zu ziehen, um gegen Kritiker vorzugehen, die an der Harmlosigkeit der "nichttödlichen" Waffen zweifeln. Jetzt musste der Vertriebspartner in Frankreich, SMP Technologies Taser France, erneut eine Schlappe vor einem französischen Gericht einstecken. Erst vor wenigen entschied ein Gericht, dass die Menschenrechtsorganisation Raid-H Taser-Elektroschockwaffen als Folterwerkzeuge bezeichnen darf (Die Taser-Spione von Paris). Jetzt wurde die Klage gegen Olivier Besancenot, den Sprecher der linken Partei LCR, zurückgewiesen, der mit Verweis auf einen Bericht der Menschenrechtsorganisation in einem Fernseh-Interview gesagt hatte, dass Taser-Waffen in den USA möglicherweise für den Tod von 150 Menschen verantwortlich sein könnten.
Amnesty hat in den USA und Kanada seit 2001 bis Oktober 2007 290 Fälle erfasst, bei denen Personen nach dem Gebrauch von Taser-Elektroschockwaffen gestorben sind. Meist erhielten die Personen mehrere Schocks. In 20 Fällen, in denen Autopsien vorgenommen worden seien, hätten die Rechtsmediziner Taser-Waffen verantwortlich oder neben anderen Ursachen mitverantwortlich für den Tod gemacht.
Taser geht auch gegen die Rechtsmediziner und hat auch Veränderungen der Beurteilung erzwingen können. Kanadische Kardiologen haben in einer Studie versucht nachzuweisen, dass in bestimmten Fällen der Elektroschock wie ein Defribillator wirken und den Tod verursachen kann (Töten Elektroschockwaffen doch?). Taser International bestreitet, dass die Elektroschocks die Herzmuskeln stimulieren können und führt die Todesfälle auf andere Ursachen zurück, beispielsweise erhöhten Drogenkonsum, einen agitierten Zustand oder das von Taser gerne ins Spiel gebrachte Excited DeliriumTaser warf Besancenot, der für seine Partei auch als Präsidentschaftskandidat für die Wahlen im letzten Jahr aufgestellt worden war, für seine Äußerung Rufschädigung vor, zog aber nicht nur vor Gericht, sondern ließ den hauptberuflichen Briefträger mitsamt Familie auch noch ausspionieren – Auftraggeber war Antoine Di Zazzo, der Direktor von Taser France, der gerne einmal behauptet, die Taser-Waffen seien völlig harmlos, wobei er darauf verweist, dass er sich schon mehrmals habe schocken lassen. Besancenot zeigte jedenfalls Taser France an, die Polizei fand auch bei Di Zazzo entsprechende Bespitzelungsprotokolle und konnte die Überwachung mit weiteren Beweisen belegen. Die Polizei nahm daraufhin 10 Personen, darunter auch Di Zazzo, vorübergehend in Haft, der dann auch zugab, gewisse "Verifikationen" bestellt zu haben.
Das Gericht zog sich allerdings diplomatisch aus dem Dilemma heraus. Die von Besancenot vorgelegten Dokumente und Berichte, darunter auch solche von Amnesty, würden nicht beweisen, dass Taser-Waffen zum Tod führen können. Allerdings habe der Angeklagte die Behauptung mit entsprechender Vorsicht geäußert und daher in gutem Glauben gehandelt. Daher wurde die Anklage gegen ihn niedergeschlagen, während Di Zazzo zu einer Geldstrafe von 4000 Euro verurteilt wurde.
Bei dem Prozess kamen weitere Einzelheiten der Bespitzelung heraus, allerdings versichert Di Zazzo, er habe die Privatdetektive nur deswegen angeheuert, um die Privatadresse von Besancenot herauszubekommen, was angesichts des Aufwands wohl nicht richtig sein dürfte. Ungeklärt bleiben bislang auch die Beziehungen des französischen Taser-Chefs zu Gérard Dussaucy und seiner Mitarbeiterin, die einem Netzwerk ehemaliger Polizisten angehören. Gegen sieben Personen, darunter Di Zazzo, ein Zollbeamter und drei Polizisten, wird weiter wegen "Eindringens in die Privatsphäre, ungenehmigten Zugangs zu einem automatischen System der Datenverarbeitung und der absichtlichen Verbreitung persönlicher Daten ermittelt. Die Angeklagten wurden auf freien Fuß gesetzt, müssen aber mit einer Gefängnisstrafe bis zu fünf Jahren oder einem Bußgeld bis zu 375.000 Euro rechnen, sollten sie verurteilt werden.
Bei dem Streit um die Gefährlichkeit oder Harmlosigkeit der Elektroschockwaffen geht es um viel Geld. Schließlich preist Taser seine Waffen genau damit an, dass die Waffen ungefährlich sind, Sicherheitskräfte (oder andere Personen) aus sicherer Distanz schützen können und einen Schusswaffengebrauch vermeiden. Aus diesem Grund hat gerade die britische Regierung bekannt gegeben, 10.000 Taser-Waffen anzuschaffen, die alle Polizisten einsetzen können. Allerdings ist man sich auch in der Polizei selbst nicht ganz einig. So lehnt die Metropolitan Police Authority den erweiterten Einsatz ab und fordert eine strenge Kontrolle.
Tatsächlich ist nicht so sehr die Frage, ob Taser-Gebrauch Tod verursachen kann, die Waffen sind ohne Zweifel weniger tödlich (less-lethal), auch wenn vielleicht nicht nichttödlich (non-lethal). Schwerwiegender ist jedoch, ob die scheinbar harmlosen, keine andauernden Spuren hinterlassenden, aber lähmenden und äußerst schmerzhaften Elektroschocks nicht zum Missbrauch verleiten und die Schwelle zur Gewaltanwendung weiter senken. Beispiele belegen, dass die Waffen oft mehrmals nacheinander ausgelöst werden (was offenbar zur Gefährlichkeit beiträgt), vor allem aber oft unnötig und zur Demütigung engesetzt werden. Dass kann die angeblich nichttödlichen Waffen, zumal wenn sie wie in vielen US-Bundesstaaten auch für den Privatgebrauch zugelassen sind, zur Quelle erhöhter Gewalt auf allen Seiten machen.
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