Mittwoch, November 26, 2008

Auf Kaffeefahrt im Kampf gegen das Böse

Wie sich das US-Außenministerium, Facebook, Google, MTV u.a. eine "Allianz der Jugendbewegungen" gegen den weltweiten Extremismus modellieren

Das amerikanische Außenministerium hat gestern [extern] angekündigt, dass man eine "Allianz der Jugendbewegungen" schmieden möchte. In dieser Allianz sucht das US State Department einen möglichen Verbündeten im Kampf gegen Verbrechen, politische Unterdrückung und Terrorismus. Das State Department ist dabei nur einer von zehn Sponsoren. Mit von der Partie sind außerdem Facebook, Google, MTV, AT&T, Howcast, Access 360 Media, die Columbia Universität u.a.

Bei einer Konferenz, die für nächste Woche in New York an der [extern] Columbia University Law School anberaumt ist, sollen sich 17 oppositionelle, bzw. zivilgesellschaftliche Organisationen aus mehreren Ländern austauschen. Mit dem Ziel, so Mitglieder des dafür zuständigen Planungsstabes im Außenministerium, [extern] ein Handbuch zu erarbeiten, das "online oder als Druckwerk" andere Gruppen auf der ganzen Welt dabei helfen soll, sich gegen Extremismus, Gewalt und Unterdrückung zu organisieren.

Ein bisschen erinnert die Idee zur "Alliance of Youth Movement" an jene "Abstauber"-Praxis, die einst der österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard Journalisten vorgehalten hat: Die würden immer nur ein "Zehnerl" als Frage hineinwerfen und hoffen, dass der Schriftsteller als Antwortautomat dann Interessantes im Wert von einem "Hunderter" ausspucke. Oder wenn man eine zeitlich näher liegende Analogie ins Spiel bringen will, so drängt sich jene auf, in der Verleger noch kürzlich allzu gerne auf den Blogger-Zug aufgesprungen sind, um online spitzenmäßig vorne zu sein, ohne dafür allzu viel Honorar zu lassen.

Der Verdacht, dass im Falle der "Alliance of Youth Movement" ein staatlich-privatwirtschaftlicher PR-Verbund ein vage wahrgenommenes Potential für eigene Interessen instrumentalisieren will, ist nicht so leicht abzuschütteln. Als Vorbild für ihre Idee des "Alliance of Youth Movement" verweisen der [extern] AEI-Mann James K. Glassman, Nachfolger der glücklosen [extern] Karen Hughes im Amt des Under Secretary of State for Public Diplomacy and Public Affairs, und [extern] State-Department-Wunderkind Jared Cohen vom Policy Planning Staff in einem [extern] Gespräch mit Außenministeriumssprecher Sean McCormack auf das [extern] "No More FARC Movement". Für den Public-Diplomacy-Verantwortlichen Glassman eine beeindruckende Erfolgsgeschichte, die sich so darstellt:
Ein 33jähriger arbeitsloser Computertechniker namens Oscar Morales gründet eine Gruppe auf Facebook. [..] Ohne Hilfe seitens der Regierung [..].Die Gruppe wächst pilzartig an auf über 400.000 Mitglieder. Zur selben Zeit schlugen einige Mitglieder vor: Lass uns eine Demonstration machen, lass uns eine weltweite Bewegung gründen, und genau das passierte. Im Februar brachte die Bewegung [..] als "Million Voices Against the FARC" eine Million Menschen auf die Straßen von Bogotá und weitere 11 Millionen auf die Straßen von 190 Städten in der ganzen Welt.

17 sehr beindruckende Organisationen

Die vitale Kraft solcher aus Eigeninitiative entstandener Bewegungen will man sich nun im weltweiten Kampf gegen den Extremismus zunutze machen, das ist die Botschaft und Grundidee der Konferenz. Das "Wie" sollen die eingeladenen Gruppen selbst herausfinden. Am besten spontan, an Ort und Stelle, bei der Konferenz. Eingeladen sind 17 "sehr beeindruckende Organisationen", die laut den State-Department-Vertretern eine ähnliche Online-Präsenz haben wie die Anti-FARC-Bewegung, allerdings auf einem "niedrigeren Level". Was sich nach der Konferenz ändern soll.

Konkret genannt werden neben der [extern] Million Voices Against FARC das [extern] Burma Global Action Network, die ägyptische Bewegung "Shabab 6 of April" (entstanden durch eine [extern] Facebook-Gruppe) , "Invisible Children", eine Organisation aus Uganda, die sich gegen Gewaltaten der Lord's Resistance Army richtet (siehe dazu [local] Billige Soldaten), "Fight Back" aus Indien, die "Save Darfur Coalition", "One Million Voices Against Crime in South Africa", die britische Facebook-Gruppe "People's March Against Knife Crime", "Youth for Tolerance" aus dem Libanon, "Young Civilians" aus der Türkei, das "Iluminemos México Genocide Intervention Network" und schließlich eine Jugendorganisation aus Afghanistan: "Balkh, National Youth Federation" aus der gleichnamigen Provinz, deren Hauptstadt Mazar-e-Sharif ist. Angedeutet werden weitere "Organisationen" aus dem Irak und Afghanistan, über deren Identität nichts bekannt gegeben wird, außer dass sie noch keine Online-Präsenz haben, aber eine wünschen. Zudem wird auch die Teilnahme eines aus Sicherheitsgründen Ungenannten aus Kuba angedeutet, der eine Jugendorganisation vertreten soll.

Der Kampf gegen den Terror ist bei den Kaffeefahrten angekommen

Die besten Erfahrungen dieser Organisationen, die sich gegen alle möglichen Formen der Gewalt richten, könnten, so die Vorstellung von Glassman und Cohen, zu einem Modell zusammengeführt werden. Man wolle zeigen, dass die Technologie auf "unserer Seite" sei, nicht auf der Seite von al-Qaida, so Glassmann. Auf die Bemerkung, dass in der Liste der Gruppen keine ausgesprochenen Anti-Terror-Gruppen zu finden seien, antwortet er, dass solche Gruppen eben noch keine oder zumindest keine signifikante Online-Präsenz hätten. In etwas vagen Formulierungen deutet er an, dass man Foren für Gruppen, die sich gegen Terrorismus richten, erst schaffen wolle:
Was wir mit dieser Konferenz erreichen wollen, ist, dass junge Leute anfangen, sich für solche Orte zu interessieren, die dann die Gruppen informieren. Und wir werden Beobachter zu Gast haben, die in Organisationen sind, die zwar noch keine Online-Präsenzen haben, sich aber dafür interessieren. Aus dem Irak und aus Afghanistan.

Als gutes Beispiel für eine dieser Gruppen zitiert er die [extern] Quilliam Foundation in London, die sich selbst als erster "counter-extremism think tank" bezeichnet. Gründer sind laut Selbstdarstellung "Bekehrte" - frühere führende Ideologen extremistischer Organisationen, die Muslime zur Selbstkritik aufrufen, vor allem was deren "westophobische" ideologischen Einflüsse angehe. Sie würden ihre Anti-Extremismus-Arbeit gut machen, so Glassman, aber sie könnten von der Konferenz lernen, wenn es darum geht, eine Bewegung online in die Welt zu setzen und zu verbreiten.

Zuversichtlich, diplomatisch geschickt und etwas unverbindlich zeigen sich Glassman und Cohen bei der nicht ganz harmlosen Frage von McCormack nach etwaigen Interessenskonflikten, die entstehen könnten, wenn das Außenministerium Gruppen unterstützt, die sich als Opponenten zu Regierungen verstehen, die offiziell als befreundet gelten:

Klar, wir arbeiten mit diesen Regierungen. Aber es gibt einen Unterschied auf der operativen Ebene zwischen "Public diplomacy" und offizieller Diplomatie, was wir in "public diplomacy" machen und was oft in offizieller Diplomatie getan wird. Wir kommunizieren und arbeiten auf der Ebene der Öffentlichkeit und nicht auf der Ebene von Regierungsvertretern. So ist es schon möglich, dass einige dieser Regierungen nicht ganz glücklich darüber sind, was wir tun. Aber das machen wir, wenn wir "Public diplomacy" betreiben.

Das Außenministerium wird sich nach einer anderen Aussage von Glassman mit 50.000 Dollar an dem Konferenz-Event beteiligen - kein Vergleich mit den Summen, welche die offizielle Diplomatie z. B. für Ägypten aufbringt. Aber der größte Sponsor der Konferenz ist auch nicht das State Department, sondern Howcast.com, ein Videoportal, das zeigt, wie man etwas am besten macht, z.B. Filme, einen Truthahn im Ofen, eine Lüge entdecken, Benzin sparen oder dem Chef "Nein" sagen. Whoopi Goldberg und ein ungenannter Mitbegründer von Facebook werden zum Auftakt sprechen. Der globale Kampf gegen den Terror ist irgendwie bei den Kaffeefahrten angekommen.


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