Freitag, April 11, 2008

Computerspieler und die Killerspiel-Debatte: "Wir sind keine Amokläufer"

Wenn Matthias Dittmayer entspannen will, ballert er ein paar Feinde über den Haufen: Mit der Computer-Tastatur lenkt er die Figur, mit der Maus schießt er. "Enemy Territory" heißt sein Lieblingsspiel auf dem PC – darin stehen sich verfeindete Soldaten gegenüber. Für den Studenten aus Bremen, der bei vielen Gamern durch sein Video über die TV-Berichterstattung zu sogenannten Killerspielen bekannt wurde, ist dieser sogenannte Ego-Shooter eine "digitale Schneeballschlacht", ein harmloses Hobby. Viele Politiker sprechen dagegen von "Killerspielen", die zum Töten animieren. In dieser Woche hat der Bundestag in erster Lesung einen Gesetzentwurf der Bundesregierung beraten, der ein Verbot vorsieht. Spieler wie Dittmayer fühlen sich dadurch als potenzielle Amokläufer abgestempelt. Und wehren sich.
Ob "Doom" oder "Quake", "Half-Life", "Counter Strike" oder eben "Enemy Territory" – das Grundprinzip der Ego-Shooter ist ähnlich: Der Spieler schlüpft in die Rolle eines Polizisten oder Terroristen, eines Alienjägers oder Monsters und kämpft alles nieder, was sich ihm in den Weg stellt. Das Ziel der Spiele: Mal eine Stellung erobern, mal eine Fahne stehlen, mal die anderen einfach auslöschen. Wie wirken sich die Ballerspiele auf die Teilnehmer aus? Die Debatte darüber ist hitzig. Eindeutige Forschungsergebnisse gibt es bislang nicht. Die Folgen von Medienkonsum – ob Film oder Spiel – gelten unter Experten als äußerst komplex. Dennoch stellen Politiker nicht selten einen direkten Zusammenhang zwischen Gewalttaten wie dem Amoklauf von Erfurt und Spielen wie "Counter Strike" her. In Medienberichten dominieren Bilder von Gräuelszenen.
Dittmayer fühlt sich als "potenzieller Amokläufer" an den Pranger gestellt. "Es gibt keinen Zusammenhang zwischen den Spielen und der Einstellung zu realer Gewalt", betont der angehende Jurist – im richtigen Leben sei er friedfertig und habe gegen den Irak-Krieg demonstriert. Er tritt zur Ehrenrettung der Ego-Shooter an und verteidigt auf der Seite Stigma-Videospiele sein Hobby. Auch andere Nutzer melden sich in Internet-Foren und Blogs zu Wort. Der Tenor und gleichzeitig Name einer Seite: "Gamer sind keine Verbrecher".
"Counter Strike" sei ein "idealer Teamsport", sagt Ibrahim Mazari, Sprecher der Computerspiele-Liga Electronic Sports League (ESL). Allein in der deutschen ESL-Sektion sind knapp 250 000 Nutzer für verschiedene Varianten des Spiels angemeldet – in Clans treten sie gegeneinander an. "Man lebt dabei nicht Gewalt aus – es geht darum, wer schneller ist", meint Mazari. Erfahrene Spieler schalteten sogar Effekte wie Blutspritzer aus, um die Grafik zu beschleunigen.

Harmlos sind die Shooter trotzdem nicht. Gewalt sei aber ein künstlerisches Mittel, um Emotionen zu erzeugen, meint Dittmayer: "Gerade in Spielen, die nur für eine Person sind, soll man Angst bekommen – wie in einem Horrorfilm." Einige Titel, in denen etwa das Quälen von Opfern belohnt wird, seien zwar völlig geschmacklos – "das sind aber nur wenige Spiele, die nicht repräsentativ sind." Software dieser Art ist in Deutschland in der Regel jedoch ohnehin verboten oder hat keine Jugendfreigabe.
"In der Debatte werden meist nur die brutalsten Spiele des Genres gezeigt, die auch ich als Spieler von Ego-Shootern geschmacklos finde", klagt Dittmayer. So werde ein falsches Bild gezeichnet. Deswegen hat er mehrere Videos gebastelt, in denen er akribisch zeigt, wo verschiedene TV- und Presse-Berichte seiner Meinung nach falsch liegen. Auf der Video-Plattform YouTube sahen sich mehr als 800.000 Zuschauer die Filme an; Schüler luden sich das Video über die Fernsehberichte für Referate in der Klasse herunter. Unter anderem geht es um Diskussionen in der damaligen WDR-Sendung "Hart, aber fair", um einen Berichte in dem ZDF-Nachrichtenmagazin "Frontal 21" sowie um den vielfach kritisierten Beitrag des ARD-Magazins Panorama zu "Killerspielen".
Der Tenor unter den Ego-Shooter-Fans lautet: Altersbeschränkungen, wie sie die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) vergibt, sind sinnvoll, generelle Verbote nicht. "Dass sich Jugendliche illegal Spiele besorgen, ist Realität", räumt Mazari ein. "Aber deswegen sollte es nicht gleich ein vorbeugendes Verbot geben." Trotz vielfacher Kritik an der USK zeigt die Überprüfung der Spiele durchaus Wirkung. Eine Reihe von Titeln ist für den deutschen Markt entschärft worden, damit die Hersteller ihr Produkt offen verkaufen können. Ein Hersteller verwandelt etwa abgerissene Gliedmaßen in Quietsche-Entchen. Geballert wird natürlich trotzdem.

Siehe dazu auch den Online-Artikel in c't-Hintergrund zur bisherigen Berichterstattung über die Diskussion um das Jugendmedienschutzrecht, Gewaltspiele, Verbotsforderungen und Beschränkungen für Jugendliche bei Spielen:

(Quelle:Heise.de)

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