Mittwoch, März 26, 2008

"freigegeben ab..."

Wie verläuft die Vergabe von Alterskennzeichen bei der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle e.V. (USK) in Berlin

Allgemeines
Mit Inkrafttreten des neuen Jugendschutzgesetzes (JuSchG) zum 1. April 2003 wurde die Alterskennzeichnung von Computerspielen gesetzlich festgelegt. Ein Anbieter, der sein Produkt der Öffentlichkeit zugänglich machen will, z.B. über den Handel, muss eine Alterskennzeichnung beantragen. Diese schafft neben der verbindlichen Alterseinstufung auch eine gewisse Rechtssicherheit. So lassen sich beispielsweise Spiele, die gekennzeichnet sind, nachträglich nicht mehr indizieren.

Bundesweit verantwortlich für diese Alterskennzeichnung zeichnen sich die Bundesländer, in deren Auftrag die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) mit Sitz in Berlin als gutachterliche Stelle fungiert. Dementsprechend entsenden die Länder einen Vertreter der obersten Landesjugendbehörden in den Gutachterausschuss. Ebenso verpflichtet sich jedes Bundesland, mehrere Gutachter zu benennen, von denen jeder an acht bis zehn Prüfterminen pro Jahr teilnimmt und die vom Beirat der USK bestätigt werden. Bayern stellt derzeit drei Gutachter. Insgesamt steht damit ein Pool von 56 Gutachterinnen / Gutachtern mit unterschiedlichsten Professionen vom Sozialarbeiter über den Jugendschutzreferenten hin zum Hochschullehrer zur Verfügung. Daraus resultiert ein für jeden Prüftag neu zusammengesetztes vierköpfiges Gutachterteam, ergänzt durch den Ständigen Vertreter der obersten Landesjugendbehörden (OLJB). Der Vorteil dieser Konstellation liegt darin, dass sich das Gutachtergremium immer unterschiedlich zusammensetzt, wodurch die Unabhängigkeit gewahrt bleibt.

Verantwortlich für die Präsentation der Spiele sind vier ehrenamtlich, gegen Aufwandsentschädigung tätige Tester, denen ein hauptamtlicher Leiter der Testabteilung vorsteht.

Ablauf


Der Antragsteller schickt seine gemäß den Grundsätzen und Prüfordnung der USK prüfbare Version mit allen Unterlagen und dem konkreten Prüfantrag an die USK. Das Spiel wird zunächst auf seine technische Lauffähigkeit und die Vollständigkeit der geforderten Prüfunterlagen wie Handbuch, Lösungshilfen und auch Cover geprüft. Handelt es sich um ein Spiel mit hoher Komplexität und vermuteter Jugendschutzrelevanz, wird dieses den versierten Testern zum Testen zugewiesen. Anhand der zur Verfügung gestellten Lösungshilfen muss das Spiel vollständig gespielt, Spielstände gespeichert, ein das Spiel beschreibender Text verfasst und zum schnellstmöglichen Zeitpunkt vor einem Gutachtergremium und dem Ständigen Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden (OLJB) präsentiert werden.

Das Modell der Vorbereitung eines Spiels für die Präsentation sieht ein komplettes Durchspielen vor, dessen Regeln in einem internen Qualitätsbuch für Tester festgelegt sind. Dabei besteht das Training darin, die eigene Spielerfahrung des gesamten Spiels so auf- und vorzubereiten, dass ein kompletter Überblick gegeben werden kann, einschließlich der Vermittlung der gesamten Spielatmosphäre.

Vor der Präsentation im Prüfgremium werden alle Spiele fristgerecht gesichtet. Spiele der Genres Adventure, Rollenspiele, Strategie, Shooter, bestimmte Arcade-Games und Genremix sowie in einigen Fällen auch Jump´n Runs und Management-Spiele sind auf jeden Fall zu sichten. Im Gremium ist dies alles vorzuspielen.


Die Professionalität besteht darin, dass die unter dem Jugendschutzaspekt relevanten und die für das Gesamtverständnis des Spiels notwendigen Szenen beurteilt und gewichtet werden können. Die USK-Gutachtenden erkennen, was genau denn das Spiel wirklich ausmacht, schließlich spielen sie ja auch selbst.

Verständlicherweise ist es während der Präsentation bei den meisten Spielen aus zeitlichen Gründen nicht möglich, ein komplettes Spiel vom ersten bis zum letzten Level durchzuspielen. Dies könnte pro Spiel unter Umständen mehrere Tage in Anspruch nehmen. Lediglich die Tester spielen ein solches Spiel von Anfang bis Ende mit allen Optionen, um das komplette Spiel zu kennen und in seinem gesamten Angebot zu verstehen. Deshalb ist Voraussetzung des Testers, über viel Spielerfahrung zu verfügen, um mit allen Genres und Plattformen zurechtzukommen. Während er dem Gremium das Spiel vorspielt, informiert er über die relevanten Inhalte. Er versucht bei Nachfragen die Spielaktion zu wiederholen oder noch weiter Aktionen zu verfolgen und muss in der Lage sein, die ungewöhnlichsten Fragen und Aufforderungen durch die Gutachtenden zu beantworten. Selbstverständlich können auch die Gutachter in das Spiel einsteigen und Spielzüge ausprobieren. Die Sachverständigen diskutieren und tauschen ihren Eindruck mit dem des Testers auf Grund seiner Spielerfahrungen aus. Dabei soll er auch in der Lage sein zu widersprechen, wenn er merkt, dass die Substanz des Spiels falsch verstanden wird. Er selbst gibt aber keine Altersempfehlungen ab.

Ziel des Dialoges zwischen Testern und dem plural zusammengesetztem Prüfgremium ist, das Gesamtkonzept des Spiels artikulieren zu können. Im Gremium muss der Tester die Gewissheit vermitteln, alle relevanten Inhalte gesehen zu haben, um Wirkungsrisiken für eine Altersgruppe abzuwägen, auf deren Grundlage die Gutachtenden eine mehrheitliche Entscheidung treffen können. Dadurch erhält das Gutachtergremium einen dezidierten Einblick in die Inhalte des Mediums.

Für Spiele mit einem Antrag auf Kennzeichnung "ohne Altersbeschränkung" bzw. "ab sechs Jahren" genügt das vereinfachte Verfahren innerhalb des Regelverfahrens, an dem drei Gutachter teilnehmen, die eine einstimmige Entscheidung treffen müssen (können Sie sich nicht einigen, geht das Spiel in das 5er Gremium). Spiele mit Antrag auf eine höhere Alterskennzeichnung werden im 5er Gremium des Regelverfahrens begutachtet; entschieden wird hier mit einfacher Mehrheit.

Im Anschluss an das Vorspielen werden die relevanten Punkte des Spieles vor dem Hintergrund des Kinder- und Jugendschutzes hinsichtlich sowohl der Inhalte als auch der grafischen Darstellung bzw. akustischen Wiedergabe erörtert. Den Gutachtenden steht ein auf Grundlagen der Wirkungsforschung und der sich entwickelnden Spruchpraxis der USK unter Beachtung gesetzlicher Vorschriften aufgestellter und ständig sich weiter entwickelnder Kriterienkatalog als Orientierungshilfe zur Verfügung, anhand dessen die einzelnen Aspekte des Spiels geprüft werden. Eine wichtige Rolle spielt hierbei die Frage nach einer möglichen Entwicklungsbeeinträchtigung Minderjähriger. Aufgrund der vielfältigen Professionen unserer Gutachter lässt sich das Medium aus verschiedenen Blickwinkeln ausführlich diskutieren. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht dabei immer die Wirkung des Spiels auf eine bestimmte Altersgruppe. So kann beispielsweise ein Spiel für einen Zwölfjährigen unbedenklich sein, jedoch gefährdungsgeneigte Kinder dieser Altersgruppe möglicherweise noch beeinträchtigen, weshalb das Spiel erst ab 16 Jahren freigegeben wird.

Jedes Spiel wird auch darauf geprüft, ob die Indizierungsgründe der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) vorliegen oder ausgeschlossen werden können. Hierzu sind die Kriterien der BPjM für eine Jugendgefährdung heranzuziehen. Dabei wird jedes einzelne Kriterium im Zusammenhang mit dem Spiel ausführlich erörtert. Wird die Kennzeichnung eines Spieles verweigert, kann das Spiel später durch die BPjM indiziert werden. Andererseits schließt – wie oben bereits genannt – die Kennzeichnung des Spiels (auch die Kennzeichnung mit "keine Jugendfreigabe") eine Indizierung durch die BPjM aus. Deshalb müssen die Gutachter hier sehr verantwortungsbewusst die einzelnen Kriterien für oder gegen eine Kennzeichnung abwägen. Schließlich beeinflusst diese Entscheidung den weiteren Verbreitungsmarkt des betreffenden Mediums nicht unerheblich. Insgesamt wurde seit 1.4.2003 in 149 USK-Verfahren das Kennzeichen verweigert.

Die Gutachter stimmen nach ausreichender Diskussion über eine Alterskennzeichnung ab und empfehlen diese dem Ständigen Vertreter. Der Ständige Vertreter der OLJB nimmt die Empfehlung des Gutachtergremiums entweder an oder er legt sein Veto dagegen ein. Von seinem Vetorecht kann er bei jeder Empfehlung Gebrauch machen. Selbstverständlich besteht auch für den Antragsteller die Möglichkeit, Berufung gegen eine Entscheidung einzulegen. Sowohl der Ständige Vertreter als auch der Hersteller können von je zwei Instanzen der Berufung Gebrauch machen (Berufungsausschuss, Beiratsprüfung). Für die Bundesländer besteht die Möglichkeit der Appellation. In allen diesen Fällen prüft ein neu besetzter Gutachterausschuss nochmals das Spiel.

Nach erfolgter Begutachtung erstellen die Gutachter zeitnah innerhalb von zehn Tagen ein ausführliches Gutachten, das neben einer Beschreibung des Spiels die genaue Begründung für die entsprechende Altersfreigabe enthält.

Natürlich müssen sich auch Gutachter weiterbilden. Hierfür bietet die USK mehrmals jährlich Fortbildungen zu bestimmten Fachthemen mit entsprechenden Referenten an.

(Quelle:Heise.de)

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