Mittwoch, Juli 30, 2008

Frankreich will das Gefängnis des 21.Jahrhunderts neu erfinden..

Die französischen Gefängnisse sind so überfüllt, dass sich die schwedischen Gardinen biegen, die Insassen müssen teilweise auf dem Boden schlafen (siehe Frankreichs Gefangenenzahlen auf historischem Höchststand) zudem tauchen in letzter Zeit wieder neue Berichte über brutale und barbarische Verhältnisse in Gefängnissen der dort gar nicht so doucen France auf.
Angesichts dessen gibt es natürlich Erwartungen und Hoffnungen, die sich auf die gestern im Rat der Minister vorgestellte Reform des Strafgesetzes und des Gefängniswesens richten. Justizministerin Rachida Dati weiß ganz gut damit umzugehen und lässt mit ein paar wohlklingenden Ansprüchen, die das Neue, das Ideal und die Vision bemühen, die Wirklichkeit elegant abperlen - so etwa wenn es um die Frage nach den Einzelzellen geht. Ursprünglich setzte man auf Einzelzellen in der Zukunft.

Gefängnis ohne Mauern
Man schlage mit der Reform eine völlig neue Konzeption des Gefängnisses vor, so Dati im [Gespräch mit Le Monde: "ein modernes Gefängnis, das würdig ist", begleitet von "einer neuen Vision der Freiheitsentzugs mit einem 'Gefängnis außerhalb der Mauern'". Als Beispiel gilt hier das im Bau befindliche Gefängnis von Corbas in der Banlieue von Lyon, das Dati gestern besuchte und als "plus douce" (milder) bezeichnete: größere Zellen, durch Salontüren abgetrenntes WC und Nasszelle, Duschen und größere Gesprächsräume.
Es gehe vor allem darum, gegen die Rückfallquote zu kämpfen und den Bestraften, die Resozialisierung zu erleichtern, so das Hauptziel der Reform in den Worten Datis. Bis 2012 soll die Überbelegung der Gefängnisse Geschichte sein.
In der Praxis sieht das so aus, dass man zunächst mehr Gefängnisse bauen will, was die Linken nach Ansicht der Ministerin versäumt hätten, weshalb es erst zur Überbelegung kam, so Dati. An der Abschreckung durch Haftstrafen will man auch in jedem Falle festhalten und den Franzosen "Sicherheit" gewährleisten, indem Kriminelle weggesperrt werden. Andererseits, so die Doppelstrategie, will man das Prinzip der Hafterleichterungen bis hin zur "punktuellen finanziellen Unterstützung" bei kleineren Strafmaßen durchsetzen. Eine zentrale Rolle spielt hier erwartungsgemäß die "elektronische Fußfessel". Dati rechnet in diesem Zusammenhang von 12.000 solcher Geräte, die im Einsatz sein sollen.
Nun haben die elektronische Fußfesseln unbestreitbar einen Vorteil: Sadistisch gesinnte Gefangene beim Hausarrest weniger Gelegenheit finden, Mitgefangene zu quälen und zu schikanieren, da potentiellen Opfern im Gegensatz zur Gefängniszelle eher Fluchtmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

Britische Erfahrungen mit "Gefängnissen ohne Gitterstäbe"
Erfahrungen in Großbritannien, wo ebenfalls die Überfüllung von Gefängnissen beklagt wird und neue Visionen für Strafen außerhalb der Gefängnisse entwickelt wurden, weisen allerdings (siehe Probleme mit der GPS-Überwachung von Straftätern) darauf hin, dass Überwachungssysteme, die für die Fußfessel nötig sind - was passiert, wenn jemand das Fußband ablegt und türmt? - große Mängel haben. Bei Tests stellte sich heraus:
"Dass alle Systeme technisch keine zufriedenstellenden Informationen lieferten, wenn die Überwachten sich in Gebäuden befanden oder sich in Städten mit hohen Gebäuden bewegten. Unter optimalen Bedingungen kann der Aufenthaltsort mit einer Genauigkeit von 2-10 Metern ermittelt werden. Die Polizisten und Bewährungshelfer waren weniger euphorisch über die Satellitenüberwachung, weil die Signale zu oft ungenau oder gar nicht kamen. Das kann technisch bedingt sind, aber auch ein Resultat von Manipulationen der überwachten Straftäter sein. 51 Prozent der Überwachten sagten, dass die Geräte ausgefallen seien, die meisten gaben aber zu, dass dies erst geschehen ist, nachdem sie versucht hatten, sie zu manipulieren."
Bei 58 Prozent wurde die Überwachung vorzeitig wegen der Verletzung von Auflagen abgebrochen, über die Hälfte davon aus Gründen, die nichts mit der Überwachung zu tun hatten. Ansonsten war der Grund meist, dass der GPS-Empfänger nicht mitgenommen oder die Fußfessel entfernt wurde. Manche hatten auch versucht, die Geräte zu manipulieren oder zu beschädigen oder einfach nur die Batterien ausgehen lassen. Ein Drittel war zwischen einem und 233 Tagen untergetaucht. 17 Prozent von allen Überwachten hatten auch wieder eine Straftat begangen.(Quelle:Heise.de)

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