Samstag, Januar 27, 2007

Wer die Verbindungsdaten speichert (und das Gegenteil behauptet)

Theorie und Praxis bei 1&1, GMX und Versatel

Ende Dezember befragte Telepolis Flatrate-Anbieter wie sie das Darmstädter Urteil zur IP-Nummernspeicherung umgesetzt haben Wer die Verbindungsdaten speichert). 12 Anbieter gaben offen zu, dass sie speichern, 18 verneinten dies und 30 verweigerten eine Auskunft. Weil Unternehmen jedoch PR-Abteilungen haben (vgl. Asimovs Robotergesetze oder Jeffersons Bill of Rights? , war zu erwarten, dass es manche Provider mit der Wahrheit nicht so genau nehmen. Und auch wenn die "Schwarmintelligenz" ein Phänomen mit vielen Seiten ist, so ergeben die Stimmen von Betroffenen manchmal doch ein interessantes Korrektiv zur PR der Unternehmen. So kam ans Licht, dass unter anderem bei 1&1, GMX und Versatel die Auskünfte an die Öffentlichkeit und die Speicherungspraxis erheblich auseinander klaffen. Aber auch bei vielen anderen Providern besteht noch Klärungsbedarf. Telepolis wird deshalb in die bestehende Übersicht in Kürze eine Spalte anfügen, in der Leser ihre Erfahrungen mit der Speicherpraxis des jeweiligen Providers eintragen können, so dass ein Kontrollorgan zur Auskunftspolitik der Provider entstehen kann.
1&1 und GMX verneinten in ihrer Auskunft Anfang Januar eine Speicherung von Verbindungsdaten. Wenn die beiden Anbieter tatsächlich keine Daten speichern würden, dann könnte auch eine von der Telekom gespeicherte IP-Nummer nicht zur Ermittlung der dahinter stehenden Person führen. Trotzdem enthalten Boards wie Gulli Postings von 1&1-und GMX-Flatrate-Nutzern, die Opfer von Abmahnungen wurden. Unter anderem findet sich darin ein Beitrag vom 1&1-Kunden [extern] makki01, der nach eigenen Angaben am 17.12.06 von der Anwaltskanzlei Schutt & Waetke für den Tausch der Freeware Easy2Sync im ed2k-Netzwerk abgemahnt wurde und bis 27.12.2006 einen "Abgeltungsbetrag" von 350 Euro zahlen sollte. Auch der GMX-Kunde JonnyM bekam eine Abmahnung - für die gleiche Freeware und in gleicher Höhe -, obwohl er sie nach eigenen Angaben weder herauf- oder heruntergeladen hatte und als Client in der Abmahnung eine nicht existierende Filesharing-Software namens "ePlus" genannt wurde.
Damit konfrontiert gaben die 1&1-Pressesprecherin Ingrun Senft und der GMX-Pressesprecher Marcus Kast zu, dass ihr Unternehmen zwar keine dynamischen IP-Adressen speichert, dafür aber andere Daten, wozu die Firma gemäß § 113 des Telekommunikationsgesetz "verpflichtet" sei. GMX und 1&1 halten also – auch entgegen ihrer eigenen [extern] Datenschutzerklärungen, die nur von der Speicherung abrechnungsrelevanter Daten sprechen, auch bei Flatrates Daten vor, die mit der von der Telekom gespeicherten IP-Nummer verknüpft werden können und diese an einem bestimmten Zeitpunkt einer bestimmten Person zuordenbar machen. Die von GMX und 1&1 vorgehaltenen Daten müssen deshalb über die reinen Bestandsdaten (also die bei Vertragsabschluss mit einem Dienstanbieter erhobenen Daten des Telekommunikationsnutzers wie Name und Anschrift) hinausgehen und sind vom Speicherungsverbot erfasste Verkehrsdaten, weil sie Informationen zu konkreten Telekommunikationsvorgängen enthalten. Laut Auskunft von Dr. Thilo Weichert vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) erlaubt der als Rechtsgrundlage genannte § 113 TKG keine Vorratsdatenspeicherung, weil er keine eigenständige Speicherungsbefugnis gewährt, sondern lediglich eine Auskunftsbefugnis bei zulässig gespeicherten Daten.
Auch Versatel verneinte anfangs eine Speicherung kategorisch und räumte diese ebenfalls erst ein, nachdem ihr Postings von abgemahnten Versatel-Flatrate-Nutzern vorgehalten wurden: higgibaby und der Gute sollten der [extern] Kanzlei Dr. Karl, Urmann & Wagner für den Tausch von zwei Videos im BitTorrent-Netzwerk jeweils einen "Abgeltungsbetrag" in Höhe von 250 € zahlen. "Higgibaby" schrieb Versatel nach eigenen Angaben zu dem Vorfall an, erhielt aber keine weiteren Auskünfte.
Damit konfrontiert gab Versatel-Pressesprecher Stefan Sayder zwar an, er könne sich dies "nicht erklären", räumte aber dann ein, dass es Fälle gebe, "in denen Versatel im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen IP-Adressen seiner Kunden speichert - zum Beispiel im Zusammenhang mit Auskunftsersuchen der Staatsanwaltschaft, einzelner Polizeibehörden oder auch Rechtsanwaltskanzleien". Die "Sicherung von Verkehrsdaten", so Sayder, erfolge unter anderem dann, "wenn eine Strafverfolgungsbehörde oder eine Anwaltskanzlei Versatel über einen Verdacht der missbräuchlichen bzw. rechtswidrigen Inanspruchnahme von Telekommunikationsleistungen informiert".
Bemerkenswert ist an dieser Auskunft, mit welcher Selbstverständlichkeit Versatel "Rechtsanwaltskanzleien" zu Vertretern der Exekutive adelt und deren Wünsche jenseits aller Datenschutzvorschriften erfüllt. Als Rechtsgrundlage hierfür nennt Sayder [extern] § 100 Absatz 3 Satz 1 des Telekommunikationsgesetzes - in dem der Gesetzgeber dem Diensteanbieter allerdings mittels der Formulierung "darf" die Wahl lässt, ob er zur Ermittlung einer "rechtswidrigen Inanspruchnahme" Daten speichert. Ein "darf", dass in den Datenschutzvorschriften, welche die Speicherung von Verbindungsdaten verbieten, nicht steht.
Tatsächlich zeigen manche Provider großes Interesse daran, Benutzern mit hohem Transfervolumen loszuwerden oder deren Traffic einschneidend zu verringern (1&1 möchte sich gegen Prämie von Powerusern trennen).
Mehr über dieses Thema und natürlich den ganzen Artikel gibt es HIER. Im Horizont der geplanten Vorratsdatenspeicherung ist noch viel mehr, darum lohnt die Lektüre des gesammten Artikels.
(Quelle: Heise.de)

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