Folter-Hitparade
Die Menschenrechtsorganisation Reprieve will Musiker dazu bewegen, gegen die Verwendung ihrer Stücke beim Brechen von Gefangenen zu protestieren
Bevor sie in den Nachrichten bekannt wurde, tauchte die Methode in Billy Wilders Film
Eins, Zwei, Drei auf: Dort wird Horst Buchholz mit dem immer wieder abgespielten Stück
Itsy Bitsy Teenie Weenie Yellow Polka Dot Bikini so weichgeklopft, dass er wahrheitswidrig gesteht, ein amerikanischer Spion zu sein, für die CIA zu arbeiten und von der Wall Street bezahlt zu werden, nur um seine Ruhe zu haben. Nun veröffentlichte die britische Menschenrechtsorganisation Reprieve eine
Liste mit Musikstücken, die angeblich für Folterzwecke eingesetzt wurden und werden.
Viele der darauf befindlichen Titel und Interpreten geistern bereits seit fünf Jahren Bei manchen der Stücke scheint der Grund für ihre Auswahl zum Foltereinsatz sowohl akustisch wie textlich ausgesprochen nahe liegend:
Andere scheinen dagegen alleine des Texts wegen gespielt zu werden: Neil Diamonds
Komplizierter wird es bei Bruce Springsteens
Das ebenfalls eingesetzte Eminem-Stück
Bei Christina Aguilera
Darüber hinaus werden in der Liste auch Interpreten ohne konkrete Titel aufgeführt: Aerosmith, Britney Spears, Dr. Dre, Li'l Kim, Limp Bizkit, die Red Hot Chilli Peppers und Meat Loaf. Die Auswahl ist so ausgesprochen massenkompatibel, dass sie die Theorie zu stützen scheint, dass die amerikanischen Soldaten häufig einfach jene Stücke spielen, die sie mögen, ohne sich Gedanken über die Wirkung auf die Gefangenen zu machen und dass nur bei manchen Titeln noch ein Wille zur Inszenierung hinzukommt.
Dass keine speziell entworfenen Foltersounds gespielt werden, sondern aus Radio und TV bekannter Mainstream, hat zudem den Nebeneffekt, dass Nachrichten darüber beim Durchschnittsamerikaner kaum geeignet sind, Entsetzen hervorzurufen: Mehrere Stunden am Tag Britney Spears und Christina Aguilera hören, dass kennen viele Amerikaner aus dem Küchen- oder Autoradio. Meldungen darüber nehmen sie deshalb intuitiv eher als
Allerdings musste auch die New Yorker Musikwissenschaftlerin Suzanne G. Cusick die sich intensiv mit dem Thema beschäftigte, zugeben, dass sie nicht herausfinden konnte, wer die Stücke in den Camps auswählt und auf welcher Grundlage dies geschieht.
Essentiell scheint in jedem Fall zu sein, dass die Stücke sehr laut und sehr lange abgespielt werden, wodurch sie im Endeffekt zu einer besonderen Form der Schlafentzugsfolter werden. Amnesty International zufolge wurde beispielsweise ein irakischer Gefangener vier Tage am Stück durch laute Musik wach gehalten.
Während Metallica sich öffentlich freuten, dass ihre Stücke zum Foltern verwendet wurden (was bei den meisten Käufern der Musik möglicherweise auch am Besten ankommt), nutzten andere Musiker die Gelegenheit, mit Widerspruch Aufmerksamkeit zu erzeugen. Solche Aktivitäten will Reprieve nun koordinieren und fördern. Im Rahmen der am Mittwoch gestarteten Kampagne
Zero dB kündigten unter anderem Massive Attack, die Magic Numbers, Elbow, James Lavelle, Matthew Herbert, Bill Bailey und Tom Morello an, bei Konzerten zukünftig Schweigepausen einzulegen, um so gegen die Verwendung ihrer Stücke zu protestieren. Allerdings kommt dieser Protest zumindest für das Guantanamo-Lager möglicherweise etwas spät: Dessen Sprecherin Pauline Storum
teilte mit, dass dort derzeit keine Musik eingesetzt wird.
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