Mittwoch, Februar 06, 2008

Videoüberwachung: Eine Bank, ein Hundehaufen - und kein Gespür für Datenschutz

Passiert ist das sicherlich jedem schon einmal: Ein unachtsamer Tritt – und schon hängen am Schuh die Reste eines säuberlich abgelegten, vom Tierhalter aber nicht beseitigten Hundehaufens. Diese Erfahrung musste jüngst auch die kleine Matilda machen. Einem Artikel der Stuttgarter Zeitung zufolge stapfte das dreieinhalbjährige Kind vor einer Filiale der Volksbank in Degerloch in einen solchen Haufen, ohne es zu bemerken, und betrat anschließend mit ihrer Mutter den Geldautomatenbereich der Bank.

Nachdem der Abhebevorgang beendet war, entdeckte die 34-Jährige, dass ihre Tochter schmutzige Fußspuren auf dem dortigen Steinboden hinterlassen hatte und eilte in einen nahegelegenen Drogeriemarkt, um mit frischen Feuchttüchern die Spuren des Malheurs zu beseitigen – zumindest beim Kind. Wegen Zeitnot sei sie dann nach Hause gerast, um die Tochter vor dem anstehenden Arztbesuch umzuziehen, heißt es in der Zeitung.

Eigentlich habe sie in der ganzen Hektik auch noch an einem der Bankschalter Bescheid sagen wollen, sagt die Mutter. "Aber meine Tochter wäre mir mit Sicherheit hinterhergelaufen und hätte auch noch Abdrücke auf dem Teppich hinterlassen." Kurzum, der Vorfall im Dezember wurde als Lehre für das Kind (Pass auf, wo du deine Füße hinsetzt) abgehakt und angesichts der doch recht geringen Tragweite schnell vergessen.

Doch vor wenigen Tagen erhielt die Frau Post von der Stuttgarter Volksbank. "Sehr geehrte Frau Herre", heißt es darin, "aufgrund der Videoüberwachung in unserer Filiale konnten wir feststellen, dass es resultierend aus Ihrem Besuch unseres Geldautomatenbereichs zu einer fäkalen Verunreinigung kam. Wir bitten Sie daher, für die entstandenen Reinigungkosten aufzukommen." In Rechnung gestellt werden 52,96 Euro für "eine Stunde Arbeitszeit Meister/Obermonteur". Zahlbar innerhalb von 14 Tagen.

Wie die Volksbank selbst einräumt, wurden die Aufnahmen der installierten Videokameras, die vor allem Räuber und Trickbetrüger abschrecken sollen, unmittelbar nach dem Vorfall ausgewertet. Über den Transaktionsvorgang am Geldautomat ermittelte die Bank dann den Namen und die Adresse der Kundin. Ein unerhörter Vorgang, meint die 34-Jährige: "Ich ärgere mich wahnsinnig über die Art und Weise, wie mit Kunden umgegangen wird". Das Mindeste sei doch gewesen, vorher anzurufen, um das Ganze in einem persönlichen Gespräch zu klären.

Für den Vorgang interessiert sich inzwischen auch die Aufsichtsbehörde für Datenschutz im Innenministerium von Baden-Württemberg. Deren Leiter Günter Schedler erklärte gegenüber der Stuttgarter Zeitung, es stelle sich vor allem die Frage, ob es rechtens war, in diesem Fall auf die Videoüberwachung zurückzugreifen und die Bänder nach dem Verursacher der Fußabdrücke durchzusehen. "Auf den ersten Blick haben wir einige Zweifel daran."

Laut Bundesdatenschutzgesetz dürften öffentlich zugängliche Räume grundsätzlich nur zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke überwacht werden. Üblicherweise sei dieser Zweck bei Banken und Sparkassen die Verfolgung von Straftaten, sagte Schedler. Eine solche liege in diesem Fall aber eindeutig nicht vor. Außerdem sei es fraglich, ob die Bank ihre Kundendaten habe durchsehen dürfen, um den Namen und die Adresse der Kundin zu ermitteln.

Die Volksbank hingegen sieht "grundsätzlich kein Problem". Eine Sprecherin sagte gegenüber der Zeitung, die Beobachtung der Räume und die Auswertung des Bildmaterials sei zur Wahrnehmung des Hausrechts zulässig. Dies würde auch häufiger praktiziert, weil es immer wieder zu Vandalismus komme. Die Aufsichtsbehörde für Datenschutz hat aber dennoch ein Fax mit elf Fragen an die Stuttgarter Volksbank geschickt. Man wolle den Vorgang zum Anlass nehmen, die Praxis der Bank grundsätzlich zu überprüfen. Nicht ermittelt werden konnte bislang allerdings der eigentliche Verursacher des ganzen Ärgernisses: der Hund.

[Update]

Einem Bericht der Stuttgarter Nachrichten zufolge stellt die Bank den Vorfall inzwischen anders dar. Es habe sich nicht um einen Hundehaufen gehandelt, der von außen hereingetragen wurde. Vielmehr habe es sich um "eine massive Verunreinigung durch das Kind" gehandelt. Auf Videoaufzeichnungen sei das klar zu erkennen und die Kundin habe auch bemerkt, dass sich die Tochter erleichtert hat.

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