RAF - Ein weiter Weg zur Versöhnung
Zu Weihnachten wird der frühere RAF-Terrorist Christian Klar auf Bewährung freigelassen - ein normaler rechtsstaatlicher Vorgang. Doch fordern viele, dass Klar Reue zeigt. Psychologen haben untersucht, welche emotionalen Bedürfnisse Opfer - und Täter - nach einem Verbrechen haben. Und ob Reue tatsächlich immer weiterhilft.
Vor allem Regierungspolitiker wie Bundesjustizministern Brigitte Zypries bemühen sich, die Entlassung Klars nach 26 Jahren als "ganz normalen rechtsstaatlichen Vorgang" darzustellen.
Bis auf den juristischen Kern der Angelegenheit ist daran allerdings nichts "normal". Das zeigen schon die Begleitumstände der Freilassung. Auch andere Mörder kommen frei, wenn sie ihre Zeit abgesessen haben. Doch bekommen nicht viele ein Angebot, dann beruflich ans Theater zu wechseln. Schon gar nicht an ein so renommiertes wie Claus Peymanns und früher Bertolt Brechts Berliner Ensemble. Und eine Ausnahme von der Normalität ist es auch, dass von den Verantwortlichen der Strafanstalt ein Entlassungsverfahren überlegt werden muss, bei dem einer, der abgesessen hat, die ersten freien Schritten nicht im Blitzlichtgewitter macht. Die Gefühle kochen hoch und Umfragen zeigen, dass unser Land in der Einschätzung dieser Aktion tief gespalten ist. Reden die einen von der Stärke des Rechtsstaates, die sich in der Freilassung Klars erweise, sehen andere darin schlicht eine Verhöhnung der Opfer.
Ein oft genannter Einwand der Gegner einer Freilassung Klars ist dessen mangelnde Bekundung von Reue. Die, so sagen sie, wäre eine unverzichtbare Vorraussetzung auch dann, wenn das Gesetz sie nicht verlange. Andere gehen noch weiter und fordern, Klar dürfe überhaupt nicht freigelassen werden, weil das angesichts der Schwere seiner Verbrechen niemals angemessen sein könne. Auch dann nicht, wenn er bereue. Die heftigen Diskussionen zeigen, dass die Frage einer Versöhnung oder Wiedergutmachung und ganz allgemein auch von Gerechtigkeit durch einen Gerichtsentscheid nicht abschließend beantwortet werden kann. Zu tief sind die Wunden, die bis zur Selbstauflösung der RAF 1998 geschlagen wurden. Normalität lässt sich so wenig verordnen wie Trauer oder eben auch Reue.
Das oft so ferne Ziel: Versöhnung
Die israelischen Sozialpsychologen Nurit Shnabel und Arie Nadler von der Universität Tel Aviv haben jüngst ein Modell präsentiert und in Experimenten bestätigt, das helfen kann, die unterschiedlichen emotionalen Bedürfnisse zu verstehen, die Verbrechen wie die Christian Klars und seiner Komplizen hervorrufen. Es zeigt die seelischen Bedürfnisse aufseiten der Oper einer Tat, so weit sie überlebt haben, und auch Bedürfnisse aufseiten der Täter. Das oft so ferne Ziel: Versöhnung. Wie so vieles in einer Gesellschaft ist auch Versöhnung nur als Austauschprozess denkbar, als Geben und Nehmen. Die Opfer einer Tat fühlen sich laut Shnabel und Nadler vor allem in ihrer Würde missachtet und um persönliche Selbstbestimmung und Handlungsfreiheit gebracht. Auf der Täterseite geht es psychisch in erster Linie um Zugehörigkeit und Ansehen - um soziale Akzeptanz, an der es nach der Tat mangelt. Und das gilt auch dann, wenn es Opfern wie Tätern nicht bewusst ist.
Was folgt daraus zumindest theoretisch? Dass ein sozialer Austausch unverzichtbar ist, wenn Gräben zugeschüttet werden sollen, wenn wirklich Frieden sein soll und nicht nur Vergessen. Das klingt viel einfacher, als es tatsächlich ist und sich in diesen Tagen und Wochen zeigt. Die vorzeitige Freilassung Klars kann als ein Zeichen der Gesellschaft verstanden werden, ihn buchstäblich "auf Bewährung" wieder in die Gemeinschaft aufzunehmen, deren Regeln und Strukturen er blutig bekämpft hat. Auf der anderen Seite müsste es allerdings tatsächlich einhergehen mit einem Signal des Bedauerns, der Entschuldigung, der Reue. Wie soll einer vertrauenswürdig werden, wie soll ihm geglaubt werden, dass er die Regeln der Gemeinschaft achtet, in der er lebt, wenn es dafür kein einziges Zeichen gibt?
Und wenn er nun Reue bekennen würde? Wäre dann "alles wieder gut"? Eine andere, ebenfalls erst vor kurzem publizierte Studie kanadischer Psychologen um Ward Struthers weckt Zweifel. Denn zwar mag es im Beichtstuhl einen Automatismus zwischen Schuldbekenntnis und Vergebung geben. Im rauen Leben vor der Kniebank ist das anders. Abhängig von der Schwere der Tat und deren Absichtlichkeit wurde eine Entschuldigung angenommen oder auch nicht. Bei einem Fall wie dem Christian Klars dürfte beinahe sicher sein, dass auch öffentliche Reue ihm nicht viel helfen würde. Claus Peymann lädt ihn auch so zu sich ein. Die meisten anderen aber würden sich mehr als einmal fragen, wie weit Vertrauen in einen wie Klar berechtigt sein kann. Es kann offenbar ein sehr weiter Weg sein bis zur Versöhnung. Und manchmal ist er schlicht zu weit für ein Menschenleben.
Shnabel, N. & Nadler, A. 2008: A Needs-Based Model of Reconciliation: Satisfying the Differential Needs of Victim and Perpetrator as a Key to Promoting Reconciliaton, Journal of Personality and Social Psychology 94, 116-132
Struthers, C. W. et al. 2008: The effects of attributions to intend and apology on forgiveness: When saying sorry may not help the story, Journal of Experimental Social Psychology 44, 983-992
Vor allem Regierungspolitiker wie Bundesjustizministern Brigitte Zypries bemühen sich, die Entlassung Klars nach 26 Jahren als "ganz normalen rechtsstaatlichen Vorgang" darzustellen.
Bis auf den juristischen Kern der Angelegenheit ist daran allerdings nichts "normal". Das zeigen schon die Begleitumstände der Freilassung. Auch andere Mörder kommen frei, wenn sie ihre Zeit abgesessen haben. Doch bekommen nicht viele ein Angebot, dann beruflich ans Theater zu wechseln. Schon gar nicht an ein so renommiertes wie Claus Peymanns und früher Bertolt Brechts Berliner Ensemble. Und eine Ausnahme von der Normalität ist es auch, dass von den Verantwortlichen der Strafanstalt ein Entlassungsverfahren überlegt werden muss, bei dem einer, der abgesessen hat, die ersten freien Schritten nicht im Blitzlichtgewitter macht. Die Gefühle kochen hoch und Umfragen zeigen, dass unser Land in der Einschätzung dieser Aktion tief gespalten ist. Reden die einen von der Stärke des Rechtsstaates, die sich in der Freilassung Klars erweise, sehen andere darin schlicht eine Verhöhnung der Opfer.
Ein oft genannter Einwand der Gegner einer Freilassung Klars ist dessen mangelnde Bekundung von Reue. Die, so sagen sie, wäre eine unverzichtbare Vorraussetzung auch dann, wenn das Gesetz sie nicht verlange. Andere gehen noch weiter und fordern, Klar dürfe überhaupt nicht freigelassen werden, weil das angesichts der Schwere seiner Verbrechen niemals angemessen sein könne. Auch dann nicht, wenn er bereue. Die heftigen Diskussionen zeigen, dass die Frage einer Versöhnung oder Wiedergutmachung und ganz allgemein auch von Gerechtigkeit durch einen Gerichtsentscheid nicht abschließend beantwortet werden kann. Zu tief sind die Wunden, die bis zur Selbstauflösung der RAF 1998 geschlagen wurden. Normalität lässt sich so wenig verordnen wie Trauer oder eben auch Reue.
Das oft so ferne Ziel: Versöhnung
Die israelischen Sozialpsychologen Nurit Shnabel und Arie Nadler von der Universität Tel Aviv haben jüngst ein Modell präsentiert und in Experimenten bestätigt, das helfen kann, die unterschiedlichen emotionalen Bedürfnisse zu verstehen, die Verbrechen wie die Christian Klars und seiner Komplizen hervorrufen. Es zeigt die seelischen Bedürfnisse aufseiten der Oper einer Tat, so weit sie überlebt haben, und auch Bedürfnisse aufseiten der Täter. Das oft so ferne Ziel: Versöhnung. Wie so vieles in einer Gesellschaft ist auch Versöhnung nur als Austauschprozess denkbar, als Geben und Nehmen. Die Opfer einer Tat fühlen sich laut Shnabel und Nadler vor allem in ihrer Würde missachtet und um persönliche Selbstbestimmung und Handlungsfreiheit gebracht. Auf der Täterseite geht es psychisch in erster Linie um Zugehörigkeit und Ansehen - um soziale Akzeptanz, an der es nach der Tat mangelt. Und das gilt auch dann, wenn es Opfern wie Tätern nicht bewusst ist.
Was folgt daraus zumindest theoretisch? Dass ein sozialer Austausch unverzichtbar ist, wenn Gräben zugeschüttet werden sollen, wenn wirklich Frieden sein soll und nicht nur Vergessen. Das klingt viel einfacher, als es tatsächlich ist und sich in diesen Tagen und Wochen zeigt. Die vorzeitige Freilassung Klars kann als ein Zeichen der Gesellschaft verstanden werden, ihn buchstäblich "auf Bewährung" wieder in die Gemeinschaft aufzunehmen, deren Regeln und Strukturen er blutig bekämpft hat. Auf der anderen Seite müsste es allerdings tatsächlich einhergehen mit einem Signal des Bedauerns, der Entschuldigung, der Reue. Wie soll einer vertrauenswürdig werden, wie soll ihm geglaubt werden, dass er die Regeln der Gemeinschaft achtet, in der er lebt, wenn es dafür kein einziges Zeichen gibt?
Und wenn er nun Reue bekennen würde? Wäre dann "alles wieder gut"? Eine andere, ebenfalls erst vor kurzem publizierte Studie kanadischer Psychologen um Ward Struthers weckt Zweifel. Denn zwar mag es im Beichtstuhl einen Automatismus zwischen Schuldbekenntnis und Vergebung geben. Im rauen Leben vor der Kniebank ist das anders. Abhängig von der Schwere der Tat und deren Absichtlichkeit wurde eine Entschuldigung angenommen oder auch nicht. Bei einem Fall wie dem Christian Klars dürfte beinahe sicher sein, dass auch öffentliche Reue ihm nicht viel helfen würde. Claus Peymann lädt ihn auch so zu sich ein. Die meisten anderen aber würden sich mehr als einmal fragen, wie weit Vertrauen in einen wie Klar berechtigt sein kann. Es kann offenbar ein sehr weiter Weg sein bis zur Versöhnung. Und manchmal ist er schlicht zu weit für ein Menschenleben.
Literatur:
Oberlandesgericht Stuttgart 2008: Restfreiheitsstrafe gegen Christian Klar zur Bewährung ausgesetzt, Presseerklärung vom 24.11.Shnabel, N. & Nadler, A. 2008: A Needs-Based Model of Reconciliation: Satisfying the Differential Needs of Victim and Perpetrator as a Key to Promoting Reconciliaton, Journal of Personality and Social Psychology 94, 116-132
Struthers, C. W. et al. 2008: The effects of attributions to intend and apology on forgiveness: When saying sorry may not help the story, Journal of Experimental Social Psychology 44, 983-992
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