Freitag, Oktober 10, 2008

US-Report: Automatisierte Data-Mining-Tools zur Terroristen-Identifizierung sind unwirksam und "un-amerikanisch"

Für die amtierende US-Regierung ist es ein elementarer Bestandteil ihrer Bemühungen, die Vereinigten Staaten von Amerika künftig vor Terroranschlägen zu schützen: Der Aufbau von automatisierten Data-Mining-Systemen, die anhand bestimmter Kriterien Anhaltspunkte dafür liefern sollen, ob einzelne Personen terroristische Aktionen planen und deshalb eine Gefahr für Land und Leute darstellen. Als Inbegriff dieser Taktik gelten das "Terrorism Information and Prevention System" (TIPS) und das Programm "Total Information Awareness" (TIA), das Präsident George W. Bush nach den Anschlägen vom 11. September 2001 auflegen ließ.
Ziel von TIA etwa, das später in "Terrorism Information Awareness Program" umbenannt wurde, war der Aufbau eines zentralen Verarbeitungssystems, in das Informationen aus unterschiedlichen Datensammel- und Überwachungsprogrammen eingespeist werden sollten, um möglichst detaillierte Personen-Dossiers erstellen zu können. Nachdem sich allerdings herausstellte, dass im Rahmen des zunächst als "Experiment" verkauften Projekts auch Dossiers über alle US-Bürger angelegt werden sollten, verweigerte der US-Senat die Freigabe weiterer finanzieller Mittel für das verantwortliche Information Awareness Office (IAO).
Doch die US-Regierung ließ nicht locker und unterstützte die Entwicklung diverser Nachfolgeprogramme, darunter Tangram, ein "vollautomatisches, permanent arbeitendes Unterstützungssystem zur Analyse von Geheimdienstinformationen", oder STAR (System to Assess Risk), eine Data-Mining-Lösung zur Einschätzung des terroristischen Gefährdungspotenzials insbesondere ausländischer Verdächtiger, für das das Federal Bureau of Investigation (FBI) verantwortlich zeichnet. Folgt man hochrangigen Wissenschaftlern, IT- und Rechtsexperten, sind aber auch solche Projekte offenbar nicht viel mehr als ein Schuss in den Ofen.
"Die automatisierte Identifizierung von Terroristen auf Grundlage von Data-Mining-Techniken ist weder praktikabel, noch sollte sie Ziel von technischen Entwicklungen sein", lautet das vernichtende Urteil einer Kommission des Nationalen Forschungsrats der USA, die seit 2005 im Auftrag des Department of Homeland Security (DHS) die Wirksamkeit solcher automatisierten Data-Mining-Systeme untersuchte. "Selbst in gut strukturierten Programmen tendieren solche Tools dazu, eine hohe Anzahl von falschen Treffern zu generieren, vor allem, wenn sie stark automatisiert arbeiten", heißt es weiter. Und solche Fehler seien schlicht "un-amerikanisch".
Festgehalten hat das "Committee on Technical and Privacy Dimensions of Information for Terrorism Prevention and Other National Goals" seine Erkenntnisse in dem 376 Seiten starken Abschlussbericht "Protecting Individual Privacy in the Struggle Against Terrorists", der jetzt in Washington der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Zu den Mitgliedern des Ausschusses zählten unter anderem Charles Vest, Präsident der National Academy of Engineering (NAE), William Perry, drei Jahre lang US-Verteidigungsminister unter Bill Clinton, sowie Fred Cate, Professor am Center for Applied Cybersecurity Research (CACR) der Universität von Indiana.
Die Kommission betonte, dass die USA wirksame Mittel gegen terroristische Bedrohungen bräuchten, diese müssten aber wirksam sein und das Recht der Bürger auf Privatsphäre berücksichtigen. Zu Letzterem gehöre beispielsweise, dass die Bevölkerung darüber zu informieren sei, welche Daten zu welchem Zeitpunkt erhoben wurden. Auch müsse der Austausch von Daten stärker reglementiert und dem Bürger die Möglichkeit eingeräumt werden, Einspruch gegen falsche Einträge erheben zu können, damit diese entfernt oder korrigiert werden können. NAE-Präsident Vest bemerkte, dass der Terrorismus die USA auch dadurch schädigen könne, dass man falsch auf solche Bedrohungen reagiert.

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