Freitag, Oktober 10, 2008

Datenschützer: Datenverarbeitung ist zur Droge geworden

Die Informationswirtschaft hat sich nach Ansicht von Datenschützern mit dem Aufkommen von Computern und des Internets daran gewöhnt, "ungerechtfertigte Dosen" privater Daten zu genehmigen. "Datenverarbeitung wurde zur Droge", monierte der schleswig-holsteinische Landesdatenschutzbeauftragte Thilo Weichert am heutigen Donnerstag beim Auftakt der 4. Konferenz zu Diensten im europäischen Meldewesen in Berlin. Den Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz (ULD) wundert daher nicht, dass "der Exzess" auffliege. "Endgültig geknallt" habe es im August, als bekannt geworden sei, dass die Informationsbranche "in noch nicht bekannter Dimension die Persönlichkeitsrechte verletzt" sowie dabei sogar mit Kontodaten gehandelt und Lücken ausgenutzt habe, um die Girokonten der Betroffenen "zu plündern".
Prinzipiell sei die "Verfügungsmacht des Bürgers über seine Daten" verfassungsrechtlich geschützt, betonte Weichert. Nur, wenn sich der Einzelne in die Öffentlichkeit begebe oder Geschäfte tätige, dürften Staat und Wirtschaft in verhältnismäßiger Weise in sein informationelles Selbstbestimmungsrecht eingreifen. Dieses Prinzip sei von der Informationswirtschaft aber in den vergangenen Jahrzehnten von den Füßen auf den Kopf gestellt worden. Betroffen gewesen sei von dieser fatalen Logik auch das Melderecht. Die damit verknüpfte Datenverarbeitung sei primär für Verwaltungszwecke gedacht. Als "Nebenprodukt" dürften die bei den Meldebehörden gesammelten Informationen etwa für die Durchsetzung zivilrechtlicher Forderungen auch Privaten zur Verfügung gestellt werden. Adresshändler hätten aus diesem Auskunftsverfahren der rund 5600 Meldeämter hierzulande aber längst ein Geschäft gemacht und die Daten für die Grundlage ihres eigenen Auskunfteigeschäfts missbraucht.
Weichert begrüßte daher das auf dem Datenschutzgipfel von Bund und Ländern Anfang September abgesegnete Vorhaben, eine Weitergabe auch von Adressdaten nur noch mit ausdrücklicher Einwilligung der Verbraucher zu erlauben. Die "Achillesferse" dieses Opt-in-Prinzips und des darauf aufbauenden "Permission Marketing" sei aber die Frage, wann eine "informierte" Erlaubnis des Bürgers vorliege. Der Bundesgerichtshof sei hier schon von einer Einwilligung ausgegangen, wenn der Konsument kein gezieltes "Opt-out" erklärt habe. Das informationelle Selbstbestimmungsrecht sei so "nur zur Hälfte" geschützt, und es sei dringend erforderlich, auch noch die größtmögliche Transparenz über die Herkunft und Weiterverarbeitung persönlicher Daten herzustellen. Insgesamt müsse das Vertrauen in die Informationswirtschaft durch eine staatliche Kontrolle wiederhergestellt werden, wenn eine private Selbstregulierung nicht möglich sei. Die Furcht der Betroffenen vor unerlaubter Datenverarbeitung sei nämlich "Gift für die freiheitliche Informationsgesellschaft".

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