Mittwoch, August 13, 2008

Alle sind dumm und Google ist schuld

Während manche Kollegen sich zu Aufmacher und Titelbildideen aus dem englischsprachigen Ausland inspirieren lassen ("Von Obama lernen, heißt siegen lernen!" - immerhin bin ich nicht erster), können andere zwar Google bedienen, aber nicht so ganz richtig. Google selbst, wäre zwar gern der Grund für den Niedergang des bezahlten Recherchierens, muss aber damit doch noch hinter dem Infotainment im Fernsehen anstehen. Kurz noch, ja?
Wenn wir jetzt vom journalistischen Umfeld an und für sich abstrahieren, wäre schon zu fragen, ob es uns das Web - speziell in seiner neuen 2.0-Version, nicht zu einfach macht. Müssen wir gar nichts mehr wissen und verstehen, um die Illusion zu haben, uns im Netz "auszukennen"?
Als ich 88/89 online ging, war das mit der Einführung in ein Zentralrechnersystem verbunden (das Wort "Großrechner" mochten die gar nicht), das an Grünmonitoren mittels einer 1 1/2 Zeilen langen Eingabezeile zu bedienen war. VM/CNMS hießt das und wenn man irgend was besonderes haben wollte, musste man sich einer Interpretersprache namens REXX bedienen.
Bilder zeigte der Bildschirm natürlich keine an und die längliche Geschichte, wie ich unter solchen Bedingungen das erste mir zugemailte Foto angeguckt habe, hebe ich mir für eine andere Folge dieser Glosse auf.
Jedenfalls lernt man schnell, wo die Anleitungsseiten waren und man bastelte Programme aus von LISTSERVs zugemailten Textbrocken wieder zusammen und allerlei anderer Schabernack. Ach ja, ASCII war nicht, EBCDIC war angesagt und die Effekte waren amüsant bis nervenaufreibend.
Den zweiten eigenen Rechner mit dem ersten eigenen (und legalen) Modem zusammen online zu kriegen führte durch einen Dschungel von Treibern und HAYES-Modemkommandos und mitteltief in die Eingeweide von Windows 3.1, an das man sich auch erst grade so recht gewöhnt hatte. -- Anfangs war ich unter OS/2 online, weil es damit wohl einfacher war. Ich gebe zu mich nicht mehr zu erinnern, weswegen meine Wahl zuerst auf dieses System fiel.
Irgendwann kam dann die eigene Homepage, gebaut zunächst mit einem Plugin für Winword 2, dann mit dem WISIWYG-Editor von Netscape (der vor allem wegen der Tabellen zum Einsatz kam, die er so wunderbar automatisch erstellte) und irgendwann dann und bis heute mit Phase 5 bzw. dessen Vorgänger, weil der wusste, wann es "center", "middle" oder sonstwas heißen musste als Attribut für irgendwelche HTML-Befehle. Ich wollte mich ja um Inhalte kümmern und nicht um HTML.
Dann natürlich FTP, CHMOD-befehle für Zugriffsrechte, Verzeichnisstrukturen auf UNIX-Servern, Spamvereitelungsmaßnahmen im "Agent", ein klitzekleines Bisschen Regexps, für eben die Spamfilter, Teststatistik nach Bayes, robot.txt, .htaccess und all die kleinen Kleinigkeiten, die zu bedenken waren, wenn man eigene Webangebote gepflegt hat. Der Umgang mit Mailinglisten wie Majordomo und Mailman als User und als Administrator wollte auch beherrscht werden.
Klar hatte man manche Sachen aus Büchern, anderes aber eher aus Zen and the Art of The Internet, dem Jargon File und natürlich aus Selfhtml. Kurse zu Computer und Netz hatte ich keine - außer zwei verpflichtenden halbtägigen Zentralrechnereinführungen, ohne die man keinen Zugnag dazu kriegte, und ein paar Erläuterungen zu DOS 3 und DOS-Word 2 im Rahmen eines Kurses, bei dem es eigentlich um das Verfassen englischer Magazinartikel ging.
Daneben erlernte man esoretische Arten, Dinge zu finden mit Hotbot oder Altavista, das so putzige Attribute hatte wie "near=5" oder so, was Begriffe finden sollte, die durch nicht mehr als fünf Worte getrennt waren. Dann die Frage, wie man Usenet-FAQs online stellt udn mit welcher Zeichencodierung im Header sie an den MIT-Roboter zu senden sind. irgendwann dann auch die Logik hinter DNS und TCP/IP, WHOIS und DENIC und anderen Feinheiten. Von Offline-Computer-Wissen wie der Frage, wie man MacWord-Texte nach DOS-Word portiert, ohne zu viele Umlaute einzubüßen (via RTF übrigens), in welchen 20 Formaten eine 5-1/4-Zoll-Diskette alles formatiert sein kann (einmal gehörte sie zu einer Art gepimpten elektrischen Schreibmaschine) oder wie man in Word lebende Kopfzeilen hinbekommt, ganz zu schweigen.
Irgendwann dann CSS, tabellenfreies Layout (aber bitte vom Wizard, ja?), Wiki-Syntax in gefühlten 10 Wiki-Systemen und der Umgang mit einem geschätzten Dutzend CMS und Blog-Systemen.
Gewisses soziales Wissen kam dazu: Usenet-Netikette, Mail-Netikette, Mailinglisten-Netikette, Blog-Netikette und die Frage, wie man es jeweils dem Newbie nahe bringt, ohne dass der den Rolladen runterlässt.
Was für den ersten Teil - denn im zweiten kommen wir dann zu der Frage was heute ein Blogger oder Twitterer können muss - als Fazit-Frage für die hochwohllöblichen Kommentatoren bleibt, ist, inwiefern dieses Wissen und Können wirklich Kompetenzen erzeugt hat oder ob das nur in die Kategorie "Tipps und Tricks" gehörte, mit denen man computeranalphabete Bekannte beeindrucken konnte.
Oder anders: Was davon hat wirklich das Wissen um das, wie das Netz (also: "das was größer ist als das WWW") funktioniert und was daraus für eine (bessere?) Kommunikation daraus folgt, vermehrt?(Quelle:Heise.de)

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