Störerhaftung in Foren: Amtsgericht München widerspricht Landgericht Hamburg
Anlass der Auseinandersetzung war ein möglicherweise aufgrund eines Betrugsvorwurfs rechtsverletzender Kommentar über Callcenter. Ein Leser hatte ihn zu einem bereits älteren Artikel des Bloggers und Medienjournalisten Stefan Niggemeier (unter anderem Bildblog) abgegeben. Der Kommentar stand etwa 90 Minuten online, bevor er entdeckt und gelöscht wurde. Im Fall eines anderen möglicherweise rechtsverletzenden Kommentars zum gleichen Artikel hatte die Firma Callactive erstinstanzlich gewonnen, sich dann aber nach dem Münchner Urteil mit Niggemeier auf einen Vergleich mit Kostenteilung geeinigt.
Anders als in Hamburg ging es in München nicht um eine einstweilige Verfügung, sondern um Schadensersatz, weshalb nicht vor einer Pressekammer, sondern vor einem Amtsrichter verhandelt wurde. Die Rechtsfrage der Kommentarhaftung war jedoch die gleiche. Das Münchner Gericht zeigte sich zwar ebenfalls der Ansicht, dass bei "bewusst provokant, gefühlsbetont und polemisierend formuliert[en]" Beiträgen, bei denen es bereits zu rechtsverletzenden Kommentaren kam, eine weitergehendere Prüfpflicht besteht. Im Unterschied zum Landgericht Hamburg kam der Münchner Amtsrichter jedoch nach weiteren Überlegungen und Abwägungen zu dem Ergebnis, dass diese nur in "extremen Einzelfällen" den Umfang einer Vorabprüfung annehmen darf. Wörtlich heißt es in dem Urteil dazu unter anderem:
"Der in dem vorgelegten Urteil des LG Hamburg vom 30.11.2007 insoweit geäußerten Auffassung, es entlaste den Forenbetreiber nicht, wenn er sein Forum so anwachsen lasse, dass eine Vorabprüfung nicht möglich sei, kann nicht gefolgt werden. Es mag zwar sein, dass sich jemand seiner Prüfungspflicht nicht dadurch entziehen kann, indem er die zumutbaren Vorkehrungen oder Einrichtungen einfach nicht schafft. Fordert man aber, dass der Forenbetreiber sein Geschäft so einschränken muss, dass die strengstmögliche Überwachung, nämlich die Vorab-Zensur, zumutbar wird, so gibt man das Kriterium der Zumutbarkeit letztlich auf. Die Zumutbarkeit der Prüfungspflichten richtet sich dann nicht nach dem 'Geschäftsmodell', sondern das 'Geschäftsmodell' hat sich dann nach den Prüfungspflichten zu richten. Der BGH hat aber in den genannten Entscheidungen ausdrücklich darauf verwiesen, dass Überwachungsmaßnahmen, welche das Geschäftsmodell in Frage stellen, nicht gefordert werden können."(Quelle:heise.de)
Siehe dazu auch:
- Urteil: Blogger soll Leserkommentare vorab kontrollieren
- LG Berlin: Keine Überwachungspflichten für Forenbetreiber
- BGH legt Urteilsbegründung in Sachen Forenhaftung vor
- OLG Hamburg legt Begründung zum "Heise-Forenurteil" vor
- Berufungsurteil schränkt Forenhaftung ein
- LG Düsseldorf: Forenhaftung erst ab Kenntnis des Rechtsverstoßes
- Hamburger Landgericht: Forenbetreiber sind für Beiträge haftbar
- Urteil zur Forenhaftung gegen Heise als Begründung für Maulkörbe
- Urteil: Heise haftet auch ohne Kenntnis für Forenbeiträg
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