Dienstag, Mai 20, 2008

Iron Mike


Da stand er auf der Bühne im Festivalpalais, kräftig, fast ohne Hals, mit riesigen Händen, und wenn er lächelt, dann denkt man unwillkürlich auch ganz kurz an "King Kong", auch wenn das natürlich ein Gedanke nahe am Rassismus ist: "Iron Mike", bürgerlich Mike Tyson, mehrfacher Boxweltmeister und bis heute Rekordhalter mit dem schnellsten KO aller Zeiten. Mike Tyson steht naturgemäß im Zentrum des Films, der Tyson heißt, und wird hier an der Croisette außer Konkurrenz gezeigt.
Er stammt von James Toback, der selbst wie das Objekt seiner filmischen Neugier New Yorker und ein ziemlich wilder und facettenreicher Bursche ist. Die größte der vielen Qualitäten von Tobacks Kino ist seine Ehrlichkeit und Direktheit, die Tatsache, dass er mit seinen Obsessionen nicht hinter dem Berg hält: Frauen, Drogen, Halbwelt, latente Gewalt und die Korruption des American Dream interessieren ihn, und viel Kompromisse hat Toback noch nie gemacht, wohl auch, weil er gar nicht anders kann. Insofern ist er bei Mike Tyson genau an den Richtigen gekommen.
Schon einmal, 1999 in seinem Spielfilm "Black & White" hat Toback Tyson in einem Film auftreten lassen. In einer Szene, die jedem unvergesslich ist, der sie gesehen hat, bringt er Tyson mit Claudia Schiffer zusammen in ein Bild, und auch da dachte man schon an King Kong und an die weiße Frau. Tyson versetzt darin auch Robert Downey Jr. einen Kinnhaken, und Brooke Shields spielt mit und die Musik ist von Shostakowitsch - diese Beschreibung allein sollte genügen, um klar zu machen, womit man es hier zu tun hat.
Auch "Tyson" ist ein virtuos, mutig und spannend. In Mischung aus Splitscreentechniken und Talking Heads kommt der Boxer selbst ausführlich zu Wort. Überraschend hell ist seine Stimme, und auch in der immer wieder durchscheinenden Unsicherheit ähnelt dieses Riesenbaby an "The Voice" Til Schweiger, der übrigens eigentlich endlich mal einen Boxer spielen sollte. Toback erzählt Tysons Leben chronologisch, doch immer wieder wird alles überdeckt von der Wucht Tysons im Boxring, ein Kampfapparat, ein Tier, das doch gerade in seiner scheinbar hemmungslosen Zerstörungswucht und absoluten Körperlichkeit verletzlich wirkt - als kämpfe er nur so schonungslos, um möglichst schnell wieder den unbehaglichen Ort des Boxrings verlassen zu dürfen. So gelingt Toback am Ende das Portrait eines sensiblen, komplexen Menschen - genau das, was Kino tun sollte.(Quelle:Heise.de)

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