Dienstag, Mai 20, 2008

Philippinisches Pornokino

Das derzeit mit Abstand hipste Kinoland heißt nicht Korea oder Türkei und schon gar nicht Amerika. Es sind die Philippinen. Der größte Star des dortigen Kinos ist seit vergangenem Jahr Brillante Mendoza, dessen neuer Film Serbis ebenfalls am Sonntag im Wettbewerb Premiere hatte: Ein exzellenter Film, der beherrscht wird von der wahnsinnigen Geräuschkulisse der Hauptstadt Manila. Tag und Nacht lässt der Straßenlärm nicht nach, und dringt auch durch Wände der Häuser.
"Familiy" steht an der Seite des Hauses in längst stumpf erloschener Neonschrift. Und eine Familie steht auch im Zentrum des Films. Drei Generationen leben in dem heruntergekommenen, verdreckten Gebäude. Sie betreiben ein Kino, das alte Filme zeigt, die Titel haben wie "Bedmates" und "Frolic in the Water". Im Dunkel des Kinos bieten junge Männer und Transvestiten ihre Körper feil.
Der Film zeigt das intensive Portrait eines einzigen Tages im Leben der Familie: kleine Reparaturen, große Verletzungen. Einer der Söhne hat ein Mädchen geschwängert, das Haus geht langsam aus dem Leim und Geldsorgen machen das Leben schwer. Trost bieten nur die Bilder der Muttergottes - fast ein Wunder, das hier nicht auch noch die Mafia auftaucht und Schutzgelder kassiert. Medoza gelingt es, in höchst prätentiöser Weise Normalität zu zeigen, ohne ins Spießige oder einfach Langweilige abzugleiten. Ein Einblick in eine Welt, die hässlich und arm ist, aber auch schöne und faszinierende Züge hat, in ein Leben, das in seinen Hoffnungen und kleinen Fluchten, in Utopien und Sehnsüchten dem unseren am Ende doch überraschend ähnelt. Nur Medozas Blick ähnelt dem unseren nicht. Denn er verzichtet auf die Verklärungen der Normalität wie auf billigen Trost.

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