Freitag, April 18, 2008

Der gläserne Kunde ist längst Realität

Auch Webseitenbetreiber können recht einfach auf private Daten ihrer Nutzer zugreifen - möglich machen das die sogenannten Cookies. Amazon holt sich die Einwilligung für die unbefristete Datenspeicherung bei der Anmeldung.

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Nicht nur der Staat hat mit der Vorratsdatenspeicherung einen Weg gefunden, die Anonymität der Bürger auszuhebeln. Auch Webseitenbetreiber greifen auf private Daten ihrer Nutzer zu Das Internet-Angebot des größten Online-Buchhändlers begrüßt den Besucher herzlich: "Willkommen" heißt es auf der Startseite. Es folgen Vorname und Nachname und die "persönlichen Empfehlungen" - ein wildes Sammelsurium an Büchern von Autoren, die man in den vergangenen Jahren gelesen oder online bestellt hat. Das Unternehmen hat einen beim Besuch der Seite sofort erkannt, zusätzlich Informationen über die eigenen Lesevorlieben gespeichert und daraus eine Liste erstellt, anhand derer man am besten gleich bestellen kann.

Technisch möglich machen das die sogenannten Cookies. Die Einwilligung für diese Cookies und die unbefristete Datenspeicherung holt sich Amazon bei der Anmeldung. Gesichert und abgelegt werden die Informationen des Online-Händlers in den USA. Dort dürfen - anders als in Deutschland - persönliche Daten auch über den Kauf hinaus gespeichert werden. Zudem ist in den Vereinigten Staaten nicht geregelt, wie mit den persönlichen Informationen europäischer Internetnutzer umgegangen werden muss.

Der gläserne Internetnutzer ist also längst Realität. Nicht nur der Staat hat mit der Vorratsdatenspeicherung einen Weg gefunden, die Anonymität und die informationelle Selbstbestimmung der Bürger auszuhebeln. Webseitenbetreiber können meist recht einfach auf die privaten Daten ihrer Nutzer zugreifen, die sie meist deutlich länger speichern als sechs Monate. Möglich wird das auf der einen Seite durch die Technik, zum anderen erleichtern Naivität und ein Mangel an Problembewusstsein den Datensammlern der Wirtschaft die Arbeit.

So dürfen die persönlichen Daten, die hinter einer IP-Adresse stehen, nur mit Zustimmung eines Richters an Ermittlungsbehörden herausgegeben werden. Ein Webseitenbetreiber kann sie aber ganz leicht zusammenführen - indem er einfach ein Kontaktformular anbietet. Viele Nutzer geben hier schnell persönliche Daten wie Name, E-Mail-Adresse, Anschrift oder sogar Kontodaten ein.

Zwar vergeben die Internetanbieter die IP-Adressen bei jeder Sitzung neu, aber anonym ist diese Adresse längst nicht. Viele Zugangsprovider arbeiten mit dynamischen Einwahlknoten, die über ganz Deutschland verteilt sind. Dieser Knoten lässt sich anhand der IP-Adresse ablesen. Firmen, die die geographische Herkunft eines Nutzers mit dessen IP-Adresse verknüpfen, verwenden dieses Wissen bereits. Sie zeigen beispielsweise Surfern, die sich über München-Mitte einwählen, lokale Werbeanzeigen.

Bei Unternehmen ist die Zuordnung noch einfacher. Sie gehen meist über Standleitungen online, die sie mit festen IP-Adressen mieten. Mit ein wenig Recherche lässt sich über die Seite des Réseaux IP Européens Network Coordination Centre (RIPE), der Organisation, die die Adressen vergibt, herausfinden, welcher Firma welche Nummer zugeteilt wurde.

Gemeinsam mit den Cookies und weiteren erhobenen Daten wie dem Zeitpunkt, von welcher Webseite der Nutzer kommt und welche Wörter er in eine Suchmaschine eingetippt hat, können Webseitenbetreiber detaillierte Profile erstellen. Meister der Datenspeicherung sind neben den Online-Händlern vor allem die Suchmaschinen. So speichert alleine Yahoo pro Monat und Nutzer rund 800 Informationen. Marktführer Google betreibt mit Google-Analytics gleich ein eigenes Unternehmen, das für andere Firmen Daten erhebt und Statistiken erstellt. Zudem testet die Suchmaschine eine neue Art von Cookie. Dieser identifiziert den Nutzer webseite-übergreifend. Mit ihm könnte auch ein in Deutschland ansässiger Online-Buchhändler herausfinden, was der Kunde bei der amerikanischen Konkurrenz gekauft hat.

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