Donnerstag, Dezember 31, 2009

Nokia gegen Apple - Die Handy-Streithähne

31. Dezember 2009 Für den Handy-Branchenprimus Nokia ist der kalifornische Computerhersteller Apple spätestens seit 2007 ein rotes Tuch. Die damalige Einführung des iPhones machte und macht den Finnen – und nicht nur ihnen – zu schaffen. Apple hat im rasch wachsenden Segment der Smartphones (das sind Mobiltelefone mit umfangreichen Computerfunktionen) sprunghaft Marktanteile gewonnen. Dem britischen Marktforschungsunternehmen Gartner zufolge ist Nokia zwar mit Abstand Marktführer. Knapp 40 Prozent der Gesamtumsätze mit den Multimediageräten gehen auf das Konto der Finnen. Doch ihr Abstand zur Nummer zwei, RIM/Blackberry (20,8 Prozent), und zur Nummer drei, Apple (17,1 Prozent), schmilzt dahin.

Da scheint es nur verständlich, dass in einem hart umkämpften und wichtigen Zukunftsgeschäft auch mit harten Bandagen gearbeitet wird, und zwar mit allen zur Verfügung stehenden. Neben der Abteilung Forschung und Entwicklung muss auch Nokias Rechtsabteilung neuerdings ziemlich häufig ran. Gerade zwei Monate ist es her, da reichte das Unternehmen bei einem Gericht im amerikanischen Bundesstaat Delaware Klage gegen Apple ein. Der Vorwurf: Mit dem iPhone habe die Firma von Steve Jobs Nokia-Patente für die Datenübertragung per Funk, für die Sprachkodierung, für Sicherheit und Verschlüsselung verletzt.

Die Erinnerung daran ist gerade noch wach, da setzt Nokia kurz nach dem Weihnachtsfrieden zum zweiten Schlag gegen Apple an. Abermals reichte das Unternehmen aus dem finnischen Espoo eine Klage ein, diesmal bei der Internationalen Handelskommission der Vereinigten Staaten in New York. Die ITC, die Amerikas Märkte vor unfairen Handelspraktiken schützen soll, kann Importsperren für Produkte verhängen, die Patente verletzen.

Nokia zufolge trifft das auf Apples Produkte zu, und zwar nicht nur auf das iPhone. Vielmehr verletze Apple Patente in „praktisch allen“ seinen Mobiltelefonen (also den bisher drei iPhone-Modellen), in den portablen Musikspielern (den iPods) und in den Computern (den Macs). Nokias Patent-Manager Paul Melin formuliert es so: „Nokia war führend in der Entwicklung zahlreicher Schlüsseltechnologien in kleinen Elektronikgeräten. Mit dieser Aktion wollen wir die Ergebnisse unserer Pionier-Entwicklungen schützen.“ Schließlich baue Apple sein Geschäft auf Nokias patentrechtlich geschützten Innovationen auf. Apple ist naturgemäß anderer Ansicht; schon Mitte Dezember holten die Kalifornier zum Gegenschlag aus und klagten ihrerseits gegen Nokia. Hier hieß es dann: Verletzung von 13 Patenten. Unter anderem habe die Konkurrenz Design und Bedienung des iPhones kopiert.

Wer aus diesem Streit als Sieger hervorgeht (und vor allem: wann), ist kaum realistisch abzuschätzen. „Beide Firmen verfügen über umfangreiche Patent-Portfolios. Ich denke, dass das die Gerichte längere Zeit beschäftigen wird“, sagt Shannon Cross vom amerikanischen Analysehaus Cross Research. Tatsächlich lässt Nokia bei keiner Gelegenheit unerwähnt, in den vergangenen zwei Jahrzehnten rund 40 Milliarden Euro in den Bereich Forschung und Entwicklung gesteckt zu haben und über eines der umfassendsten IPR-Portfolios (geistiges Eigentum) mit mehr als 11 000 Patentfamilien zu verfügen.

Auch Apple hat vorgebeugt: Der Konzern verfügt unter anderem über ein Patent auf die iPhone-typische Berührungstechnologie („Multitouch“). Topmanager Tim Cook, der den kranken Apple-Chef Jobs 2009 zeitweise vertrat, stellte im Januar drohend klar: „Wir mögen Konkurrenz, solange sie nicht unser geistiges Eigentum stiehlt.“ Freilich ist gerade Apple nicht als das große Erfinder-Unternehmen bekannt, das ein grundlegendes Patent nach dem anderen vorlegt. Zur Einführung des iPhones im Juni 2007 stellte die Schweizer Zeitung „Weltwoche“ treffend fest: Steve Jobs sei ein „genialer Veredler von Produkten, die andere erfinden“. Er suche nach guten, aber nicht ausgereiften Ideen und vollende sie. In der Tat setzt beispielsweise selbst die iPhone-Grundtechnik „Multitouch“ nicht auf einer Erfindung aus dem Hause Apple auf, sie wurde vielmehr schon in den achtziger Jahren „erfunden“.

Den Namen „iPhone“ gab es schon lange vor Apple

Selbst den Namen „iPhone“ gab es schon lange vor Apple: Der Netzwerkausrüster Cisco war 2000 in den Besitz dieser Marke gekommen. Die Cisco-Tochtergesellschaft Linksys verkaufte unter dieser Bezeichnung Mobilfunk-Produkte. Um den Namen war im Januar 2007 ein juristischer Streit entbrannt: Cisco verklagte Apple wegen der Verletzung von Markenrechten. Schon im Februar beendeten beide Unternehmen die Fehde außergerichtlich im gegenseitigen Einvernehmen.

Zwischen Apple und Nokia dürfte die Friedenstaube nicht ganz so schnell starten, zumal die Firmen direkte Konkurrenten sind. Halten die Unternehmen ihre Klagen aufrecht, kann es dauern: Allein die Untersuchungen der ITC nehmen typischerweise rund 15 Monate in Anspruch. In Europa erzählen sich die Fachleute gerne von einem Fall aus dem Chemiebereich, der inzwischen im 14. Jahr verhandelt wird. In der Mobilfunkwelt entsprechen 14 Jahre freilich schon fast 14 Generationen. Analysten erwarten deshalb, dass sich Nokia und Apple irgendwann einigen: So wie sie sich jetzt gegenseitig verklagen, könnten sie sich irgendwann auf gegenseitige Lizenzen einigen.

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