Mittwoch, April 09, 2008

Die Geschichte der IT-Revolution - Fischer im Netz






Bis Ende der 90er-Jahre war Yahoo die mit Abstand wichtigste Anlaufstelle im Internet. Dann kam Google - und degradierte den Platzhirsch zum Übernahmekandidaten.


"Lasst euch doch vom Doktorandenprogramm in Stanford beurlauben und gründet euer eigenes Unternehmen!" Im Frühjahr 1998 hat Yahoo-Mitbegründer David Filo für die beiden Stanford-Studenten Sergey Brin und Larry Page nur einen guten Rat übrig. An der Technik, die ihm die beiden anbieten, zeigt er kein Interesse.

In Stanford, der Kaderschmiede des Silicon Valley, haben Brin und Page an einem Verfahren getüftelt, mit dem Internetsuchmaschinen die Relevanz von Ergebnissen erfassen können. Das Prinzip: Je höher die Zahl der Links, die auf eine Website verweisen, desto höher der Rang in der Liste der Suchergebnisse.

Brin und Page folgen Filos Rat, gründen wenig später die Suchmaschine Google und lassen mit ihrer Technik alle Konkurrenten weit hinter sich. Sogar der einstige Platzhirsch Yahoo gerät in Bedrängnis: Knapp zehn Jahre nach dem denkwürdigen Treffen mit den Google-Jungs erhält Filos Yahoo-Partner Jerry Yang einen Anruf von Steve Ballmer. Der Microsoft-Chef will das Internetportal für 44,6 Mrd. $ kaufen - zur Not auch gegen den Willen der Unternehmensspitze.


Der Motor des wirtschaftlichen Erfolgs von Google, der die Rivalen neidisch macht, ist Adwords: Werbekunden können Anzeigenplätze neben Suchergebnissen platzieren und damit gezielt ein interessiertes Publikum erreichen. Dafür zahlen sie einen in einer Internetauktion ermittelten Preis, wobei die Höhe des Gebots die Platzierung der Werbung bestimmt. Zugleich vermarktet Google die Kleinanzeigen auf Millionen anderen Websites und teilt die Erlöse mit den Betreibern der Internetseiten. Branchenschätzungen zufolge streicht Google mehr als 40 Prozent aller Umsätze mit den Internetannoncen ein - etwa so viel wie Yahoo, Microsoft und das Internetportal AOL zusammengenommen.

Als nun an einem verregneten Abend im Januar 2008 Yangs Telefon klingelt, ist klar, dass Microsoft und Yahoo im Wettbewerb um das derzeit umsatz- und gewinnträchtigste Segment des Internets abgehängt sind. Google ist der mit Abstand führende Suchmaschinenbetreiber, seit 2004 an der Börse notiert und so erfolgreich, dass die Gründer längst Multimilliardäre sind. Zahlen des Marktforschers Nielsen Netratings zufolge liefen auf dem wichtigen US-Markt im Februar knapp 58 Prozent aller Suchanfragen im Internet über Google. Yahoo und Microsoft folgen abgeschlagen mit knapp 18 Prozent und gut elf Prozent.

Anzeigenerlöse, die TV-Sendern oder Zeitungen jahrzehntelang hohe Renditen brachten, fließen mehr und mehr ins Internet ab, seit Google sein Geschäftsmodell etabliert hat.

Microsoft und Yahoo haben diesen Trend schlicht verschlafen. Microsoft-Manager Bill Bliss macht bereits 1999 seine Vorgesetzten auf die wachsende Bedeutung von Internetsuchmaschinen aufmerksam. Doch die wiegeln ab. "Immer wieder wurde mir gesagt: Suche ist nicht unser Kerngeschäft, Google ist kein Wettbewerber", erinnert sich Bliss. Inzwischen setzt man bei Microsoft andere Prioritäten. "Dieser Markt wächst weiter", sagt Steve Ballmer mit Blick auf das boomende Geschäft mit Onlineanzeigen. Bis 2010 wird es nach Ansicht von Experten ein Umsatzvolumen von 80 Mrd. $ erreichen. Und Googles Vorsprung macht dem Microsoft-Chef Sorgen: "Der Marktführer baut seine Stellung immer weiter aus."

Die Entwicklung der eigenen Suchmaschine wird erst vorangetrieben, als Google Erfolge feiert. Bis 2005 bezieht Microsoft die Suchtechnik von externen Anbietern wie Inktomi, Altavista und schließlich Yahoo. Und erst im Mai 2006 startet Microsoft mit Adcenter die Vermarktung von Anzeigen über ein eigenes System.

Yahoo nutzt zwar nach dem Platzen der Internetblase die Gelegenheit, sich einige Suchmaschinenpioniere, darunter Overture und Inktomi, zusammenzukaufen. Es dauert jedoch noch bis 2003, daraus eine eigenständige Suchmaschine zu bauen. Doch während Microsoft dank seiner marktbeherrschenden Stellung über ausreichend Substanz verfügt, die Versäumnisse im Internet abzufedern, geht es für Yahoo schon bald um die Existenz. 2006 zeigt sich, dass das Internetportal mit Google nicht mehr Schritt halten kann.

Nach Umsatzzuwächsen von 77 Prozent und 42 Prozent in den Vorjahren peilt der damalige Yahoo-Chef Terry Semel für 2006 ein Wachstum von immerhin noch 29 Prozent an. Er schafft gerade einmal 22 Prozent. Semel hat hohe Erwartungen an die neue Anzeigenvermarktung Panama. Doch als er im Juni 2006 bekannt gibt, dass die Einführung um drei Monate verschoben werden muss, verliert die Aktie binnen einem Tag ein Fünftel ihres Werts.

Ein Jahr später zieht Yahoo-Gründer Jerry Yang die Notbremse und übernimmt die Führung des Unternehmens von Semel. Google verdient inzwischen in einem Monat so viel wie Yahoo im ganzen Jahr - zum Jahresende sieht die Bilanz noch düsterer aus: Das operative Ergebnis von Yahoo bricht um 26 Prozent auf 695 Mio. $ ein. Zum Jahresbeginn machen Gerüchte über den Abbau Tausender Stellen die Runde

Die Tage des Internetportals als eigenständiges Unternehmen scheinen gezählt. Steve Ballmer will die Kräfte von Microsoft und Yahoo bündeln. Ein Retter im Abwehrkampf gegen die Übernahme ist für Yang weit und breit nicht in Sicht. Investoren machen zunehmend Druck, Ballmers Offerte anzunehmen, die immerhin um 62 Prozent über dem Börsenwert liegt.

Die jüngsten Entwicklungen könnten Ballmer Hoffnung machen, dass der Marktführer nicht uneinholbar vorn liegt: Im vierten Quartal hat Google erstmals die Umsatzerwartungen der Analysten verfehlt. Der Aktienkurs ist seit dem Erreichen des historischen Hochs von 747 $ im vergangenen November auf weniger als 480 $ eingebrochen.

Und zuletzt stagnierte die Zahl der Klicks bei den Google-Anzeigen. Folge der Rezession oder Anfang vom Ende des Rekordwachstums? "Die gesamte Wall Street ist vorsichtig geworden", so Analyst Rob Sanderson von America Technology Research: "Jeder hat Angst." (Quelle:Financial-Times Germany)

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