Freitag, Februar 22, 2008

Spione, Steuerhinterzieher und Angestellte

Das Wall Street Journal enttarnt den Liechtensteiner Informanten als ehemaligen Bankangestellten und die Münchner Abendzeitung die Ehefrau des ebenfalls in die Affäre verwickelten bayerischen Landesdatenschutzbeauftragten als BND-Mitarbeiterin

Wer sich schon lange fragte, warum der bayerische Landesdatenschutzbeauftragte Karl Michael Betzl gegen die rechtswidrige Speicherung von Verbindungsdaten bei Flatrateanbietern sein Sanktionsinstrumentarium so gar nicht anwenden wollte und stattdessen jahrelang eine eindeutig rechtswidrige Praxis duldete, der hat jetzt Grund, sich noch ein bisschen mehr zu wundern: Der bayerische Landtagspräsident Alois Glück bestätigte gestern, dass Betzls Büro- und Privaträume im Zuge der Ermittlungen gegen "Leistungsträger", die ihr Geld in Liechtenstein anlegten, durchsucht wurden.

Noch interessanter wird der Fall dadurch, dass die Ehefrau des angeblichen Datenschützers nach Informationen der Münchner Abendzeitung unter dem Decknamen Melanie Rengstorf beim Bundesnachrichtendienst arbeitet. Eine Dr. Melanie Rengstorf spielte als BND-Referatsleiterin eine Rolle in der Affäre um das Ausspionieren von Journalisten. Betzl selbst wollte die Vorwürfe bisher ebenso wenig kommentieren wie die zuständige Bochumer Staatsanwaltschaft.

Die wirklich zukunftssichere Arbeitslosen- und Rentenversicherung

Währenddessen nannte das amerikanische Wall Street Journal den vollen Namen des angeblichen Verkäufers der CD oder DVD, auf der sich die Datensätze der deutschen Steuersparer befanden. Treffen die Informationen der amerikanischen Zeitung zu, dann handelt es sich um einen 50jährigen, ehemaligen Angestellten der Bank LGT, der den Grundsatz beherzigte, dass die wirklich zukunftssichere Arbeitslosen- und Rentenversicherung im Sammeln von Informationen besteht. Diese Informationen soll er bereits seit Mitte 2006 bei Steuerbehörden "auf verschiedenen Erdteilen" feilgeboten haben. David Crawford, einer der Autoren des Berichts, sagte dem deutschen Fernsehsender N24, dass auch amerikanische Behörden auf das Angebot eingegangen seien.
Die betreffende Person soll im Zuge eines Betrugsverfahrens vor mehreren Jahren versucht haben, Liechtensteiner Behörden mit dem Hinweis auf eine Datenweitergabe unter Druck zu setzen, sei aber dann trotzdem verurteilt worden, weil angeblich geglaubt wurde, dass man alle Daten wiedereingesammelt hätte. Möglicherweise ist sie deshalb identisch mit jenem Mann, der 2004 "im Zusammenhang mit Kundendaten, die er sich als Mitarbeiter der LGT-Treuhand im Jahr 2002 unbefugt beschafft hatte" von einem Liechtensteiner Gericht wegen versuchter Nötigung verurteilt wurde.
Dieser soll wegen eines 1996 in Spanien begangenen Immobilienbetruges zur Fahndung ausgeschrieben gewesen sein, weshalb er 2003 von den Behörden in Liechtenstein mit dem Argument eine neue Identität verlangt haben soll, er werde sonst sensible Daten an ausländische Medien und Behörden weitergeben. Seitens der Liechtensteiner Justiz heißt es, dass "nicht bekannt" sei, ob dieser Mann auch "der in den Medien genannte Informant des Bundesnachrichtendienstes ist". Gegen eine Personengleichheit spricht, dass sich auf dem gekauften Datenträger nach Angaben der deutschen Finanzbehörden auch Daten aus den Jahren 2005 und 2006 befinden.
Wären die beiden Personen identisch, dann würde das bedeuten, dass man in Liechtenstein für eine stattliche Rente weit weniger lang arbeiten muss als in Deutschland: Der Immobilienbetrüger war nämlich nur von April 2001 bis November 2002 bei dem Geldinstitut beschäftigt. Allerdings deutet einiges darauf hin, dass nach den spektakulären Fällen die Sicherheitsmaßnahmen erhöht wurden, weshalb sich nachfolgende Generationen für ihre Ruheeinkünfte wahrscheinlich mehr anstrengen müssen. Zudem dürfte es nicht reichen, einfach nur ein paar Namen und Zahlen von einem Bildschirm in ein Notizbuch zu übertragen. Die "Qualität" der Daten auf der jetzt angekauften CD oder DVD beinhaltet nach Angaben der Süddeutschen Zeitung angeblich auch so beweiskräftiges Material wie eingescannte Stiftungsurkunden mit Unterschrift und genaue Kontobewegungen bis in die 1970er Jahre. Allerdings könnten auch diese Informationen aus eher taktischen Gründen gestreut worden sein, um potentiell Betroffenen das Gefühl zu vermitteln, die auf den Datenträgern enthaltenen Informationen würden für eine Verurteilung ausreichen – was nicht unbedingt der Fall sein muss. Hier spielt auch eine Rolle, inwieweit die möglicherweise rechtswidrig kopierten Daten von einem Beweisverwertungsverbot betroffen wären. Anders als in den USA, wo für Beweise der Grundsatz der "fruits of the poisonous tree" gilt, umfasst dieses Verbot in Deutschland nicht auch solche Beweise, die erst als Folge der unrechtmäßig erhobenen in die Hände der Ermittler gelangten – also beispielsweise bei Hausdurchsuchungen gefundene Kontoauszüge.
Notwendig wären solche (außerhalb der angekauften Daten liegenden) Beweise möglicherweise aber auch, wenn der BND sich weigern würde, von Gerichten geforderte Ermittlungsdetails offen zu legen – beispielsweise bezüglich zu den Klarnamen von Mitarbeitern. Dass es bezüglich der Arbeitsweise des Dienstes möglicherweise Aufklärungsbedarf jenseits der Selbstauskünfte gibt, zeigt auch die seltsame Affäre um den Abgeordneten Wolfgang Neskovic, der nach dem Willen des parlamentarischen Geschäftsführers der CDU-Fraktion Norbert Röttgen aus dem parlamentarischen Geheimdienstkontrollgremium ausgeschlossen werden soll, weil seinem Büro angeblich Akten abhanden kamen. Da Neskovic der Letzte wäre, der von einem Verschwinden solcher Akten profitieren würde, wird zunehmend die Vermutung laut, dass der Ex-BGH-Richter, der zur Vorbereitung seiner Ausschusstätigkeit sogar ein Praktikum beim BND machte, dort möglicherweise den Eindruck erweckte, dass er seine Kontrollaufgaben zu eifrig wahrnehmen könnte und deshalb besser aus dem Gremium entfernt werden sollte, das sich gestern in geheimer Sitzung vortragen ließ, wie der Nachrichtendienst an den Steuersparer-Datenträger kam.

Softwarebasiertes Whistleblower-Finden

Passend zu den Liechtenstein-Fällen veröffentlichte die aktuelle Ausgabe des International Journal of Security and Networks einen Aufsatz, der Firmen und Behörden helfen soll, "Bedrohungen von innen" zu entdecken und abzuwehren.[1] Die Lösung, die Gilbert Peterson vom Air Force Institute of Technology darin anbietet, besteht vereinfacht gesagt aus einer Totalüberwachung des Internetverkehrs aller Angestellten und Data Mining mit Hilfe vonPLSI ("Probabilistic Latent Semantic Indexing"). Getestet wurde die Methode an den beschlagnahmten Emails der Firma Enron. Mit ihr sollen sich bereits solche Angestellte entdecken lassen, die sich in Unternehmen oder in der Behörde nicht wohlfühlen.

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