Ex-BND-Chef: Pläne für heimliche Online-Durchsuchungen verfassungswidrig
Der Geheimdienstexperte Hansjörg Geiger warnt gemeinsam mit anderen Sachverständigen und Wirtschaftsverbänden vor unverhältnismäßigen Befugnissen im Entwurf für die Novelle des Gesetzes fürs Bundeskriminalamt (BKA). Zudem seien vor allem die Vorkehrungen für den Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung unvollkommen. Dies betreffe insbesondere die Regeln zu heimlichen Online-Durchsuchungen und zur Telekommunikationsüberwachung, schreibt der Ex-Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND) und frühere Justizstaatsekretär in seiner Stellungnahme (PDF-Datei) für die Anhörung im Innenausschuss des Bundestags zum BKA-Gesetz kommende Woche. Die Stellungnahmen der Sachverständigen und diejenige des DIHK wurden nun auf den Webseiten des Ausschusses veröffentlicht.
Die tief in die Grundrechte einschneidenden Maßnahmen sollen gemäß dem Entwurf nur dann unzulässig sein, wenn "allein" Erkenntnisse aus dem absolut geschützten Intimbereich erlangt würden. Telefongespräche, Online-Kommunikation und auf privaten informationstechnischen Systemen gespeicherte Daten seien aber in der Regel durch eine "Gemengelage" unterschiedlicher Inhalte geprägt, erläutert Geiger. Die damit in Kauf genommene "Verletzung des Kernbereichs quasi sehenden Auges ist mit der Garantie der Menschenwürde unvereinbar und nicht verfassungsgemäß". Zudem vermisst der Verfassungsrechtler eine Prüfungsverpflichtung vor dem Einsatz der beabsichtigen Überwachungsmaßnahmen, ob Kernbereichsverletzungen zu befürchten seien.
Auch in den vom Bundesverfassungsgericht zugelassenen absoluten Ausnahmefällen, in denen Staatsbediensteten Informationen bereits vor einer Bewertung ihres Bezugs zur Intimsphäre zur Kenntnis kommen, fasst das Vorhaben laut Geiger die zu treffenden Schutzbestimmungen nicht streng genug. Während bei der TK-Überwachung oder dem großen Lausch- und Spähangriff hier ein Richter über eine Verwertbarkeit der Daten zu entscheiden habe, sollen bei der Ausforschung informationstechnischer Systeme zwei BKA-Beamte die erhobenen Informationen begutachten. Diese erste Durchsicht muss lat Geiger aber "zumindest von einer unabhängigen und neutralen Stelle", am besten also einem Richter, vorgenommen werden. Im Einklang mit dem Bielefelder Rechtswissenschaftler Christoph Gusy schlägt Geiger vor, die Regelungen zum Schutz des Kernbereichs und von Berufsgeheimnisträgern zu vereinheitlichen und für alle Maßnahmen in gleicher Weise zur Geltung zu bringen.
In der Begründung ist laut dem Juristen nicht überzeugend nachgewiesen, "dass es der Befugnis zur Online-Durchsuchung tatsächlich bedarf, um die Sicherheit der Bevölkerung vor den Gefahren des internationalen Terrorismus in einem dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechenden Maße zu erhöhen". Es sei auch zu bedenken, dass der dem Gesetzgeber von Karlsruhe eingeräumte Einschätzungsspielraum für Online-Razzien nicht bedeute, "das aus verfassungsrechtlicher Sicht gerade noch Vertretbare auch tatsächlich ausnutzen zu müssen". Wolle der Gesetzgeber dennoch daran festhalten, sollte zumindest die Aufgabe des Schutzes der "Sicherheit der Bevölkerung" in der Zweckbeschreibung für den Einsatz des sogenannten Bundestrojaners deutlich zum Ausdruck kommen. Derzeit erfasse die Regelung selbst eine einfache Körperverletzung.
Insgesamt beachte der Entwurf nicht die vom Bundesverfassungsgericht wiederholt geforderte Balance zwischen Freiheit und Sicherheit, fürchtet Geiger. Zwar sei ein Bemühen zu erkennen, die vielfachen Vorgaben aus Karlsruhe zu berücksichtigen. Sätze aus Urteilen seien teils wörtlich in den Gesetzestext übernommen worden. Die Bundesregierung habe dabei aber die Gesamtheit der geplanten Kompetenzen aus den Augen verloren und berücksichtige nicht den "Geist der Verfassung". So würde das BKA eine "Sonderstellung" erhalten, die vom Gesetzgeber auch mit Blick auf eine eventuelle parlamentarische Kontrolle noch nicht hinreichend bedacht worden sei. Es könne etwa zu Überlagerungen mit Tätigkeiten der Nachrichtendienste kommen. Aber auch die rechtliche Beziehung zwischen Generalbundesanwaltschaft und BKA verschöbe sich voraussichtlich zugunsten der Polizeibehörde.
Laut dem Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar wirft der Entwurf "erhebliche datenschutzrechtliche Fragen auf". Der Passauer Internetrechtler Dirk Heckmann, der die Landesregierung Nordrhein-Westfalen im Verfassungsstreit um verdeckte Online-Durchsuchungen auf Landesebene vertrat, sieht dagegen die Vorgaben aus Karlsruhe berücksichtigt. Der Kreis der Adressaten beim Ausspähen informationstechnischer Systeme sei zwar "nicht in jeder Hinsicht zustimmungswürdig gefasst". Die Einbeziehung von "Kontakt- oder Begleitpersonen" aber gerechtfertigt. Für den Bayreuther Staatsrechtler Markus Möstl sind die Regelungen der Voraussetzungen eines heimlichen Eingriffs etwa in Computerdaten "einwandfrei". Darüber hinaus wäre auch die Rechtfertigung einer zusätzlichen Befugnis zum Eindringen in Wohnungen für das Aufspielen von Spähsoftware auf Zielrechner "möglich".
Vehement für eine solche zusätzliche Kompetenz tritt der Präsident des Bayerischen Landeskriminalamts (LKA), Peter Dathe, ein, der seit Anfang August bereits die Lizenz zum Einsatz von "Bayerntrojanern" hat: "Ich halte diese Befugnis aus Sicht der polizeiliche Praxis zur erfolgreichen technische Durchführung der Online-Datenerhebung für zwingend notwendig." Eine offene Beschlagnahme eines Computers sei auszuschließen, da oft unklar sei, "wie groß die Terrorzelle ist, mit der wir es zu tun haben, und was mögliche unentdeckte Mittäter nach einer polizeilichen Durchsuchungsaktion machen". Weiter vermisst Dathe eine Befugnis zur Löschung oder Veränderung von Daten auf IT-Systemen nach bayerischem Vorbild. Dies könne in Ausnahmen zur Abwehr von Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit einer Person nötig sein. Der LKA-Chef kritisiert aber, dass Online-Razzien im Bund nicht generell auf die Abwehr "dringender Gefahren" eingeschränkt werden sollen.(Quelle:Heise.de)
Die tief in die Grundrechte einschneidenden Maßnahmen sollen gemäß dem Entwurf nur dann unzulässig sein, wenn "allein" Erkenntnisse aus dem absolut geschützten Intimbereich erlangt würden. Telefongespräche, Online-Kommunikation und auf privaten informationstechnischen Systemen gespeicherte Daten seien aber in der Regel durch eine "Gemengelage" unterschiedlicher Inhalte geprägt, erläutert Geiger. Die damit in Kauf genommene "Verletzung des Kernbereichs quasi sehenden Auges ist mit der Garantie der Menschenwürde unvereinbar und nicht verfassungsgemäß". Zudem vermisst der Verfassungsrechtler eine Prüfungsverpflichtung vor dem Einsatz der beabsichtigen Überwachungsmaßnahmen, ob Kernbereichsverletzungen zu befürchten seien.
Auch in den vom Bundesverfassungsgericht zugelassenen absoluten Ausnahmefällen, in denen Staatsbediensteten Informationen bereits vor einer Bewertung ihres Bezugs zur Intimsphäre zur Kenntnis kommen, fasst das Vorhaben laut Geiger die zu treffenden Schutzbestimmungen nicht streng genug. Während bei der TK-Überwachung oder dem großen Lausch- und Spähangriff hier ein Richter über eine Verwertbarkeit der Daten zu entscheiden habe, sollen bei der Ausforschung informationstechnischer Systeme zwei BKA-Beamte die erhobenen Informationen begutachten. Diese erste Durchsicht muss lat Geiger aber "zumindest von einer unabhängigen und neutralen Stelle", am besten also einem Richter, vorgenommen werden. Im Einklang mit dem Bielefelder Rechtswissenschaftler Christoph Gusy schlägt Geiger vor, die Regelungen zum Schutz des Kernbereichs und von Berufsgeheimnisträgern zu vereinheitlichen und für alle Maßnahmen in gleicher Weise zur Geltung zu bringen.
In der Begründung ist laut dem Juristen nicht überzeugend nachgewiesen, "dass es der Befugnis zur Online-Durchsuchung tatsächlich bedarf, um die Sicherheit der Bevölkerung vor den Gefahren des internationalen Terrorismus in einem dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechenden Maße zu erhöhen". Es sei auch zu bedenken, dass der dem Gesetzgeber von Karlsruhe eingeräumte Einschätzungsspielraum für Online-Razzien nicht bedeute, "das aus verfassungsrechtlicher Sicht gerade noch Vertretbare auch tatsächlich ausnutzen zu müssen". Wolle der Gesetzgeber dennoch daran festhalten, sollte zumindest die Aufgabe des Schutzes der "Sicherheit der Bevölkerung" in der Zweckbeschreibung für den Einsatz des sogenannten Bundestrojaners deutlich zum Ausdruck kommen. Derzeit erfasse die Regelung selbst eine einfache Körperverletzung.
Insgesamt beachte der Entwurf nicht die vom Bundesverfassungsgericht wiederholt geforderte Balance zwischen Freiheit und Sicherheit, fürchtet Geiger. Zwar sei ein Bemühen zu erkennen, die vielfachen Vorgaben aus Karlsruhe zu berücksichtigen. Sätze aus Urteilen seien teils wörtlich in den Gesetzestext übernommen worden. Die Bundesregierung habe dabei aber die Gesamtheit der geplanten Kompetenzen aus den Augen verloren und berücksichtige nicht den "Geist der Verfassung". So würde das BKA eine "Sonderstellung" erhalten, die vom Gesetzgeber auch mit Blick auf eine eventuelle parlamentarische Kontrolle noch nicht hinreichend bedacht worden sei. Es könne etwa zu Überlagerungen mit Tätigkeiten der Nachrichtendienste kommen. Aber auch die rechtliche Beziehung zwischen Generalbundesanwaltschaft und BKA verschöbe sich voraussichtlich zugunsten der Polizeibehörde.
Laut dem Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar wirft der Entwurf "erhebliche datenschutzrechtliche Fragen auf". Der Passauer Internetrechtler Dirk Heckmann, der die Landesregierung Nordrhein-Westfalen im Verfassungsstreit um verdeckte Online-Durchsuchungen auf Landesebene vertrat, sieht dagegen die Vorgaben aus Karlsruhe berücksichtigt. Der Kreis der Adressaten beim Ausspähen informationstechnischer Systeme sei zwar "nicht in jeder Hinsicht zustimmungswürdig gefasst". Die Einbeziehung von "Kontakt- oder Begleitpersonen" aber gerechtfertigt. Für den Bayreuther Staatsrechtler Markus Möstl sind die Regelungen der Voraussetzungen eines heimlichen Eingriffs etwa in Computerdaten "einwandfrei". Darüber hinaus wäre auch die Rechtfertigung einer zusätzlichen Befugnis zum Eindringen in Wohnungen für das Aufspielen von Spähsoftware auf Zielrechner "möglich".
Vehement für eine solche zusätzliche Kompetenz tritt der Präsident des Bayerischen Landeskriminalamts (LKA), Peter Dathe, ein, der seit Anfang August bereits die Lizenz zum Einsatz von "Bayerntrojanern" hat: "Ich halte diese Befugnis aus Sicht der polizeiliche Praxis zur erfolgreichen technische Durchführung der Online-Datenerhebung für zwingend notwendig." Eine offene Beschlagnahme eines Computers sei auszuschließen, da oft unklar sei, "wie groß die Terrorzelle ist, mit der wir es zu tun haben, und was mögliche unentdeckte Mittäter nach einer polizeilichen Durchsuchungsaktion machen". Weiter vermisst Dathe eine Befugnis zur Löschung oder Veränderung von Daten auf IT-Systemen nach bayerischem Vorbild. Dies könne in Ausnahmen zur Abwehr von Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit einer Person nötig sein. Der LKA-Chef kritisiert aber, dass Online-Razzien im Bund nicht generell auf die Abwehr "dringender Gefahren" eingeschränkt werden sollen.(Quelle:Heise.de)
Siehe dazu auch:
- BKA-Chef Ziercke gegen Befristung heimlicher Online-Durchsuchungen
- Bundesregierung beharrt auf heimlichen Online-Durchsuchungen
- Kabinett ändert Entwurf zur Novelle des BKA-Gesetzes nur geringfügig ab
- Neues "Computer-Grundrecht" schützt auch Laptops und Daten im Arbeitsspeicher
- Karlsruhe lässt kaum Raum für heimliche Online-Durchsuchungen
- Bundesverfassungsgericht verwirft heimliche Online-Durchsuchungen im NRW-Verfassungsschutzgesetz
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